Nach seinem Auftaktsieg über Titelverteidiger Stefanos Tsitsipas hat Dominic Thiem bei den ATP Finals in London den ersten großen Schritt Richtung Semifinale gesetzt, heute (15 Uhr, Sky, live) soll der zweite Folgen. Allerdings wartet auf den Österreicher mit Rafael Nadal eine Mammutaufgabe. Der Spanier, der die inoffizielle Weltmeisterschaft noch nie für sich entscheiden konnte, präsentierte sich in seinem ersten Spiel beim 6:3, 6:4 über Andrej Rublew in bestechender Form.

Das letzte Aufeinandertreffen mit dem Weltranglistenzweiten konnte Thiem bei den heurigen Australian Open in einem packenden Viertelfinal-Krimi in vier Sätzen gewinnen – dementsprechend vorgewarnt ist der Spanier: „Ich habe jetzt ein super-schwieriges Match gegen Dominic vor mir. Doch der Sieg in zwei Sätzen über Rublew gibt mir viel Selbstvertrauen.“ Dessen ist sich auch Thiem bewusst, der Nadal beim Saison-Kehraus in einer besseren Form sieht als in den vergangenen Jahren. „Wohl auch, weil das Tennisjahr heuer nicht so lange war.“

Apropos lange: Das können die Tage in London für die Athleten werden, gibt es doch abseits des Tennisplatzes keinerlei Ablenkungen. Aufgrund der strikten Corona-Maßnahmen dürfen die Spieler nur zwischen Hotel und O2-Arena pendeln – und die liegen gerade einmal drei Gehminuten auseinander. Trotzdem muss die Strecke mit dem Shuttle bewältigt werden.

Moritz spielt eine tragende Rolle

Damit Thiem in diesen Tagen nicht die Decke auf den Kopf fällt, ist neben Trainer Nicolas Massu, Manager Herwig Straka und Physiotherapeut Alex Stober auch Bruder Moritz mit in die englische Metropole gereist. Seine Aufgabe: Er soll Bruder Dominic unterhalten und auf andere Gedanken bringen. Denn der Weltranglistendritte klagte bereits: „Dass die Turniere trotz der schwierigen Umstände stattfinden können, ist sensationell. Andererseits kann es auch sehr, sehr einsam werden. Es gibt überhaupt keine Abwechslung, nur Hotel und Tennisplatz.“ Daher spielt Moritz dieser Tage in London auch eine tragende Rolle: „Dass er dabei ist, freut mich. Wir können gemeinsam Zeit verbringen, er sorgt für Spaß und Unterhaltung.“

Das bestätigt auch Manager Straka: „Es ist extrem wichtig, dass Moritz mit in London ist. Er ist ja nicht nur Dominics Bruder, sondern auch sein bester Freund.“ Wie Thiem selbst darf sich auch sein gesamtes Team nur in der „Blase“ bewegen – getestet wurde vor dem Abflug, nach der Ankunft und dann jeden vierten Tag. In der O2-Arena steht den Spielern neben einem Fitness- und einem Massageraum noch ein großer Aufenthaltsbereich zur Verfügung. „Dort werden Frühstück, Mittag- und Abendessen serviert. Doch kann Domi natürlich auch im Hotel essen“, sagt Straka. Nachsatz: „Einen so guten Italiener, wie er ihn in New York kennt und der ihm ab und zu Essen im Hotel vorbeigebracht hat, hat er hier nicht.“

Im Hotel selbst – das Intercontinental ist ein riesiger Komplex – sind nur Leute untergebracht, die in Verbindung mit dem Turnier stehen. Und wie vertreibt sich Thiem die Zeit auf dem Zimmer? „Es schaut viel Sport und Sportdokumentationen. Und am Sonntagabend hat er sich natürlich noch das Match zwischen Nadal und Rublew angesehen“, erzählt Straka.

Melzer schon unter Siegzwang

Seinen ersten Auftritt im Doppel hatte gestern Jürgen Melzer. An der Seite von Edouard Roger-Vasselin verlor der Österreicher gegen die topgesetzten Mate Pavic/Bruno Soares mit 7:6, 1:6, 4:10. „Die Enttäuschung ist schon groß, weil wir einen guten ersten Satz gespielt haben. Im Champions-Tiebreak waren sie besser. Jetzt müssen wir die nächsten zwei Partien gewinnen“, sagt der 39-Jährige. Zum Thema „Blase“ meinte der künftige sportliche Leiter des ÖTV: „An den Matchtagen hat man eh seine übliche Routine. Schwierig sind die freien Tage, wenn man um 11 Uhr mit dem Training fertig ist. Da kann die restliche Zeit am Zimmer schon einsam machen.“