Manches vermisst man erst, wenn man es nicht mehr hat. Das ewige Anstehen bei den Kiosken oder Toiletten, der traditionelle Stau bei den Stiegenaufgängen, das quälende Gedränge auf dem Weg zum Sitzplatz. Und es nahm von Jahr zu Jahr zu, stieg mit Dominic Thiems Erfolgen doch auch die Zahl der Zuschauer stetig. 2019, als der Österreicher triumphierte, drängten sich 9000 Fans in die Wiener Stadthalle und sorgten für eine unvergessliche Stimmung. Bei jedem gewonnenen Punkt des Lokalmatadors wurde das Gebäude im Sturm der Begeisterung in seinen Grundmauern erschüttert – Gänsehaut pur.

Ein Jahr später ist alles anders. In den weitläufigen Katakomben der Halle herrscht Geisterstimmung. Nur noch drei Verkaufsstände bieten Speis und Trank an, dafür dominieren Desinfektionsstationen und Plakate mit all den Sicherheitsmaßnahmen, die es im Kampf gegen Corona einzuhalten gilt. Mit Lautsprecheransagen werden die Besucher in regelmäßigen Abständen daran erinnert, immer und überall den Mundnasenschutz zu tragen und Essen und Getränke nur auf dem Sitzplatz zu konsumieren.

Ein Schnippchen geschlagen

Ja, das Virus hat auch die Wiener Tenniswelt fest in seinem Griff. Auch, wenn es dem Veranstalter am Roland-Rainer-Platz gelungen ist, der Pandemie zumindest ein kleines Schnippchen zu schlagen. So dürfen täglich immerhin 1000 Zuschauer den besten Tennisspielern der Welt bei ihrer Arbeit zusehen. Und das bis gestern in zwei sogenannten „Sessions“. Die Erste startete um 14 Uhr, die zweite nach dem zweiten Einzel auf dem Center Court. Viel Fingerspitzengefühl vonseiten der Organisatoren und ein wenig Geduld bei den Fans war gefragt, wenn die Besucher der ersten Session die Halle verlassen hatten und parallel dazu den Zuschauern für die zweite Session Einlass gewährt wurde. Oberstes Gebot: Abstand halten, Ansammlungen vermeiden!

Aber, auch wenn sich die Zahl der Fans heuer im überschaubaren Bereich bewegt, so bewegen diese wenigen bei den Spielern sehr viel. Nachdem man beim New Yorker Großturnier unter Ausschluss der Öffentlichkeit den späteren US-Open-Sieger Dominic Thiem kürte und auch kurz darauf bei den French Open weit weniger Zuschauer zugelassen waren als gewohnt, sind die 1000 Fans in der Stadthalle ein Segen für die in dieser Woche in einer „Blase“ lebenden Spieler.

Ein Segen für die Spieler

Auch, weil Applaus in einer Halle naturgemäß einen weit höheren Effekt als bei einem Freiluftturnier erzielt und damit zumindest den Ansatz einer großartigen Stimmung versprüht. Und diese wird von den Spielern auch dankbar aufgesaugt. Es sei etwas ganz Spezielles für ihn und seine Kollegen, dass die Leute trotz all der Umstände kommen würden, sagt etwa Thiem.

Wohl auch in dem Wissen, dass es der letzte Beifall für die restliche Saison sein wird. Denn sowohl beim nächstwöchigen Masters-Turnier in Paris, als auch bei den ATP-Finals in London werden die Zuschauer aufgrund der Pandemie wieder ausgesperrt ...