Menschen, die Bedenken haben, wissen eben nicht, wie die Lage in manchen Ländern ist.“ Mit diesen Worten konterte Novak Djokovic all jenen, die vor dem ersten Aufschlag der vom Weltranglistenersten ins Leben gerufenen Adria Tour Kritik bezüglich der quasi nicht vorhandenen Corona-Schutzmaßnahmen äußerten. Und so wurde vor knapp einer Woche in Belgrad, das zu diesem Zeitpunkt als so gut wie coronafrei galt, eine Tennisparty gefeiert, wie man sie aus den guten alten Zeiten kennt: Tausende Zuschauer auf den Tribünen, Ballkinder, die verschwitzte Handtücher der Spieler durch die Gegend tragen, und heftige Umarmungen unter den Protagonisten selbst. Alles so, als wäre Covid-19 ein reines Hirngespinst.

Die Spitze des Eisbergs folgte bei der finalen Spielerparty im Nachtklub Lafayette, wo sich Djokovic, Alex Zverev, Dominic Thiem und Kollegen mit nackten Oberkörpern auf der Bühne tanzend der Herrlichkeit eines unbekümmerten Daseins hingaben. Jene dort gedrehten Videos, die via soziale Netzwerke den Weg in die weite Welt fanden, ließen die Alarmglocken laut aufschrillen.

Doch die Adria Tour wanderte frei von Sorgen weiter nach Zadar, wo die Spieler abseits des Tennis auch gleich mehrere Öffentlichkeitstermine wahrnahmen. Die drohende Bombe platzte dann schlussendlich am Sonntagabend, als der bulgarische Ex-Tennis-Weltmeister Grigor Dimitrov bekannt gab, positiv auf Covid-19 getestet worden zu sein. Gestern Vormittag zogen Dimitrovs Trainer, Djokovic’ Fitnesscoach sowie der kroatische Spieler Borna Coric mit denselben ernüchternden Nachrichten nach ...

War die Adria-Tour ursprünglich auch dafür ins Leben gerufen worden, um zu zeigen, dass im professionellen Tennissport die Normalität langsam wieder Einzug hält, so erwies sich diese Annahme nun als Schuss nach hinten: Denn der sogenannten „Normalität“ wurden mit diesen Vorfällen ganz klar ihre derzeitigen Grenzen aufgezeigt.

Alle Kontakte nicht mehr nachvollziehbar

Noch weit tragischer ist jedoch die Tatsache, dass sich heute längst nicht mehr exakt nachverfolgen lässt, mit wem Dimitrov und Coric (beide sollen übrigens im Falle einer rechtzeitigen Genesung vom 7. bis 11. Juli auch beim Einladungsturnier „Thiems 7“ in Kitzbühel aufschlagen) in den vergangenen Tagen in Kontakt standen. Zuerst noch ahnungslos, tingelten die beiden von Belgrad aus quer durch halb Europa. Dimitrov etwa sendete seine Krankmeldung von Monte Carlo aus.

Für Österreichs Topspieler Thiem dürfte der Ausflug nach Serbien jedoch ohne gesundheitliche Folgen bleiben. Nach seiner Rückkehr aus Belgrad wurde der Lichtenwörther sofort in Wien getestet. Selbiges geschah auch bei seiner Ankunft in Nizza, wo er vergangenes Wochenende beim „Ultimate Tennis Showdown“ mit von der Partie war und am Sonntagabend Stefanos Tsitsipas mit 3:1 bezwingen konnte, sowie auch nach seiner gestrigen Rückkehr. Alle drei Tests fielen laut Manager Herwig Straka negativ aus.

Warnschuss für Veranstalter

Will man dem Vorfall etwas Positives abgewinnen, dann ist es der laute Warnschuss an alle anderen Veranstalter, die in den kommenden Wochen und Monaten trotz nach wie vor bestehender Coronagefahr Turniere über die Bühne bringen wollen. Möglich ist dies derzeit schon – allerdings nur unter penibelster Einhaltung aller von den jeweiligen Regierungen vorgegebenen Sicherheitsmaßnahmen.

Solche waren in Serbien (angeblich, weil die regierende Partei die Wähler kurz vor dem Urnengang positiv stimmen wollte) nicht gegeben. Dennoch muss das Handeln gewisser Personen (allen voran Djokovic, der zuerst sogar einen Coronatest verweigert haben soll) verbal als „fahrlässig“ abgestraft werden. Denn eines muss allen unmissverständlich klar sein: Solange das Virus nicht endgültig unter Kontrolle ist, wird der Mensch in diesem Match immer als Verlierer hervorgehen.