Seinen Humor hatte Rafael Nadal nach seiner sensationellen Zweitrunden-Niederlage in Wimbledon gegen Dustin Brown bereits bei der Pressekonferenz wiedergefunden. Als eine Reporterin ihn fragte, ob er denn noch etwas länger in London in seinem angemieteten Haus bleiben würde, weil seine Mutter und Schwester auch hier wären, antwortete der Spanier schlagfertig. „Meine Arbeit in London ist beendet. Wenn Sie in das Haus ziehen wollen, es ist ab morgen frei.“

Auch Brown besiegelt Nadals Niederlage mit einem Ass

Ein Blick in die Statistik wirft die Frage auf, ob das erneute frühe Ausscheiden von Nadal in Wimbledon überhaupt noch als Sensation zu bewerten ist. Zum vierten Mal in Folge kassierte der „Stier aus Manacor“ auf dem „Heiligen Rasen“ eine Niederlage gegen einen Spieler mit einer dreistelligen Platzierung in der Weltrangliste: 2012 in der zweiten Runde gegen Lukas Rosol (damals Nummer 100), 2013 in der ersten Runde gegen Steve Darcis (damals Nummer 135), 2014 im Achtelfinale gegen Nick Kyrgios (damals Nummer 144) und nun in diesem Jahr in der zweiten Runde gegen Dustin Brown (derzeit Nummer 102). Interessante Randnotiz: Bei all diesen Niederlagen haben Nadals Gegner das Match mit einem Ass beendet.

Das Match gegen Brown hat deutlich gezeigt, dass Nadal auf Rasen nicht mehr der Spieler ist, der er einst war. Es ist offensichtlich, dass der Spanier auf dem schnellen grünen Untergrund große Probleme gegen Gegner hat, die ihn aus der Komfortzone bringen, so wie es auch Kyrgios im letzten Jahr getan hat. Da täuscht auch nicht der Turniersieg in Stuttgart vor knapp drei Wochen hinweg, wo er auch bereits in seinem Auftaktmatch gegen Marcos Baghdatis hätte verlieren können. Zwischen 2006 und 2011 hat Nadal fünf Wimbledonfinals in Folge (2009 nahm er verletzungsbedingt nicht teil) gespielt. Ob es zu einer sechsten Endspielteilnahme an der Church Road kommt, muss stark bezweifelt werden. Denn im Spiel des Spaniers fehlt es derzeit an der nötigen Spritzigkeit, die ihn stets dazu brachte, noch so unerreichbar scheinende Bälle zurück ins Feld zu spielen.

Fällt Nadal nach 10 Jahren aus den Top Ten?

„Ich bin ein guter Verlierer“, sagte Nadal mit einem gequälten Lächeln. „Wenn ich nicht so gut bin, akzeptiere ich das. In den letzten Jahren war ich nicht fähig, hier richtig gut zu spielen. Ich bin auf ein paar Spieler getroffen, die besser waren als ich. Das zu akzeptieren und weiterzumachen, ist der einzige Weg.“ Nadal ging als Weltranglisten-Zehnter ins Turnier. Ob er nach Wimbledon erstmals seit dem 18. April 2005 außerhalb der Top Ten platziert sein wird, hängt von den Ergebnissen der hinter ihm rangierten Spieler ab. Gelingt beispielsweise Jo-Wilfried Tsonga der Einzug ins Halbfinale, zieht er am Spanier vorbei. Doch so schlecht wie das Tennisjahr 2015 von Nadal gerne geschrieben wird, ist es nicht. In der Jahresweltrangliste ist er derzeit auf Platz 8 notiert – mit großem Vorsprung auf Platz 9.