ähnchen und Girlanden in den Gassen, Schilder, riesengroße Konterfeis der Stars vergangener und aktueller Tage und sogar kleine drehende Teigräder mit „Lucca saluta il Giro d’Italia“ – der Giro ist für Italiener mehr als nur eine Radrundfahrt, er wird Tag für Tag von den Anwohnern zelebriert. Schon Tage vor dem Besuch ist das Wort „Giro“ in den Bars beim morgendlichen Espressotratsch Dauergast. Der Nordwesten der Toskana ist radverrückt und „beschenkte“ sich selbst: Die Etappenankunft in Lucca und der Start der sechsten Etappe in Torre del Lago Puccini zogen Abertausende an. Das Ziel war in Rapolano Terme, der Sieger hieß Pelayo Sanchez (ESP).

Felix Großschartner beim Start der sechsten Etappe
Felix Großschartner beim Start der sechsten Etappe © Georg Michl

Am Start schlängelten sich auch vier österreichische Fahrer durch die Menge der Fans. Einer davon ist Felix Großschartner. Der Oberösterreicher, im Team des Gesamtführenden und großen Favoriten Tadej Pogačar engagiert, lächelte vor dem Start, es gab noch ein Küsschen von der Freundin mit auf die Reise. Nur die „Umrandung“ ums Lächeln fehlte, der Schnauzer ist weg. „Ich habe ihn nicht so gefühlt“, sagt er mit einem Lachen. Das Gefühl, den Giro zu fahren, sei dafür großartig. „Mit Tadej zu fahren ist eine große Chance, Teil von etwas Besonderem zu sein.“ Das große Ziel ist es, den Slowenen im „Maglia Rosa“, dem Rosa Trikot, nach Rom zu bringen. Großschartner (30) ist einer der Edelhelfer, einer der letzten Domestiken. Er übernimmt, wenn es steil und hart wird. „Der Leistungsdruck ist schon da, wenn du einer der Letzten bist. Aber der Druck ist nicht so groß, wenn du nicht selbst um die Gesamtwertung fährst. Nach einem schlechten Tag ist nicht alles vorbei.“

Dem Gesamtsieg von „Thaddäus“ (deutsch für Tadej) Pogačar ordnet das Team UAE alles unter. „Es ist ganz wichtig, dass wir alle nur dieses eine Ziel vor Augen haben und nicht daran denken, dass er wahrscheinlich auch acht Etappen gewinnen könnte“, sagt Großschartner. „Wir müssen schlau fahren, denn drei Wochen sind verdammt lang.“ Und vor allem in der letzten Woche warten noch extrem harte Prüfungen. „Da darf man sich nicht von den Emotionen leiten lassen, muss smart sein und das Ziel vor Augen haben.“ Auch wenn er unantastbar scheint, brandmarkt Pogačar selbst Aussagen, dass er unschlagbar sei, als „respektlos“ gegenüber der Konkurrenz. Großschartner: „Man darf die anderen nie unterschätzen. Wir wissen, dass Tadej Favorit ist. Wenn er an den Start geht, läuft das Rennen über uns.“

Großschartner selbst hat einen zweiten und einen dritten Etappenplatz bei Grand Tours erreicht, ein Etappensieg fehlt noch in der Siegerliste. „Natürlich ist es ein großes Ziel, eine Etappe zu gewinnen – am liebsten bei der Tour de France“, sagt er lachend. „Aber bei diesem Giro ist das überhaupt kein Thema. Wenn du mit jemandem wie Tadej fährst, gibt es das nicht – da gibt es für das Team eben nur ein ganz klares Ziel.“ Sich unterzuordnen fällt dem Staatsmeister 2022 (in Gratwein-Straßengel) nicht schwer. „Ab einem gewissen Punkt deiner Karriere muss man anerkennen, dass es nicht für ganz vorne reicht. Aber man kann vielleicht in einer neuen Position einer der besten Fahrer der Welt sein“, erklärt der Österreicher. Man sei medial vielleicht nicht so im Blickpunkt, aber: „Im Team und im Radsport ist man auch als guter Helfer angesehen und eine gute Aktie.“ Großschartner hat da für sich in seiner Mannschaft einen guten Rollenmix gefunden. Fährt Pogačar, ist er Helfer. Ist der Slowene nicht dabei, schlüpft er selbst mitunter in die Rolle des Kapitäns: „Dann bekomme auch ich meine Chancen.“

Das slowenische Ausnahmetalent

Was Pogačar (25) stärker macht als die anderen? „Er ist ein Riesentalent, genetisch perfekt veranlagt. Er hat eine Sportart gefunden, die perfekt zu ihm passt. Aber er arbeitet auch sehr hart.“ Und er kann alles: Bergetappen, Zeitfahren, Rundfahrten oder auch Klassiker. „Im modernen Radsport gab es so jemanden noch nicht.“ Und es täusche nicht, dass der Slowene fast immer lacht: „Es macht ihm Spaß, er tut alles mit einer Leichtigkeit, auch die professionelle Vorbereitung.“ Der Erfolg helfe ihm, in einen Flow zu kommen. Bei allem Ehrgeiz sei er aber nicht verbissen. „Wenn er an den Start geht, will er gewinnen. Aber er ist nicht neidisch, wenn ein anderer gewinnt.“ 

In großen Ballonkugeln sind Tadej Pogačar, Francesco Moser und Mark Cavendish beliebte Fotomotive
In großen Ballonkugeln sind Tadej Pogačar, Francesco Moser und Mark Cavendish beliebte Fotomotive © Georg Michl

Und auch im Mannschaftsbus spielt er nicht Chef. Großschartner: „Musik auflegen darf jeder.“ Vor dem Start ist Hiphop und Techno angesagt – möglichst laut. Großschartner mag es, im Team UAE zu fahren, würde trotz auslaufenden Vertrags gerne bleiben. Die Tour lässt er heuer aus, Olympia in Paris hat er im Blick. Aber derzeit zählt nur eines: Pogačar als Sieger in die Ewige Stadt zu bringen.