Ist Ihnen schon bewusst, welche Glanztat Sie für die österreichische Leichtathletik vollbracht haben?
Verena Preiner: "Es ist verrückt! Ich war nach dem Rennen perplex und habe mal überlegt, was und wie jetzt. Einen Moment lang war ich schockiert, weil ich das Ganze nicht glauben konnte. Ich bin hierhergekommen und habe gehofft, dass ich um eine Medaille mitkämpfe. Aber dass ich das schaffe und dass es aufgeht ..."

Wie sicher waren Sie nach dem Speerwurf? Sie lagen auf dem Bronzerang und es kam mit den 800 m ja nur noch Ihre Lieblingsdisziplin.
Preiner: "Ich wusste, ich kann gut 800 Meter rennen. Aber ich war ein bisschen mehr nervös als sonst. Ich wollte das Ding heimlaufen. Ich war gut eingestellt. Ich habe mit Katarina (Johnson-Thompson/Anm.) im Vorfeld geredet, sie hat auch gesagt, sie wird anrennen. Ich wollte mich nicht verstecken und taktieren, ich wollte auch vorne rennen. Es ist leichter, wenn man weiß, man kann die 800 m, als es ist eine Zitterdisziplin, wo man nicht weiß, wie es ausgeht. Da spielen dann die Nerven nicht ganz so verrückt, das macht es leichter."

Sie waren nicht weit weg vom österreichischen Rekord, den Sie in Ratingen aufgestellt haben.
Preiner: "Es waren zwei super Mehrkämpfe. Ich bin sehr stabil, wir haben das erarbeitet. Ich habe gewusst, dass ich in einer guten Form bin. Ich bin froh, dass ich das so zeigen konnte und dass es so geendet hat." 

Jubel in Rot-weiß-Rot: Verena Preiner
Jubel in Rot-weiß-Rot: Verena Preiner © AP

"Wie ein Uhrwerk"

Preiner hat zwar zum erweiterten Kreis der Medaillenanwärterinnen im WM-Siebenkampf gezählt, aber mit solch einer Performance durfte nicht gerechnet werden. Die Souveränität, mit der die 24-Jährige am Mittwoch und Donnerstag in Doha den bisher wichtigsten Wettkampf ihrer Karriere bewältigte, beeindruckte auch ÖLV-Sportdirektor Gregor Högler. "Sie hat das durchgezogen wie ein Uhrwerk."

Vor dem 800-m-Finale lag Preiner auf dem dritten Rang. Was sollte da noch schiefgehen? Handelt es sich doch um ihre Lieblingsdisziplin und ist sie eine der schnellsten Läuferinnen im Feld. "Richtig, das habe ich mir auch gedacht. Aber du kannst es nie wissen. Es kann immer was Blödes passieren", weiß Trainer Wolfgang Adler und verwies auf Ivona Dadic, die gleich nach der ersten Disziplin mit Zerrung aus dem Medaillenrennen war. Beim Gedanken an die Medaille seines Schützlings Preiner habe er "weiche Knie" gehabt.

Preiner geht in das zehnte Jahr mit Adler als Coach an ihrer Seite. Ihm hat sie als knapp 15-Jährige gesagt, dass sie einmal international mit dabei sein will. "Verrückt", stempelte er diese Gedanken ab. "Verrückt", sagte Preiner nach dem Medaillengewinn am Donnerstagabend im Khalifa-Stadion. "Trainieren hat mir Spaß gemacht, das hat mich angetrieben", blickte sie auf ihre BORG-Zeit zurück. "Ich habe mich weiterentwickelt, gesteigert. Der Spaß ist geblieben und die Leistungen sind auch gekommen."

Im Juni gewann die Bundesheersportlerin das Meeting in Ratingen und knöpfte mit 6.591 Punkten ihrer Landsfrau Dadic den österreichischen Rekord ab. "Ich bin dieselbe geblieben. Ich muss genauso weitertrainieren und es wird mir im Wettkampf nicht helfen, wenn ein paar mehr Leute auf mich schauen. Ich muss mich auf die eigenen Sachen konzentrieren", hat das bei Preiner nicht viel verändert. Mit 6.560 war sie in Doha ganz nah an der Bestleistung dran.

Der Österreichische Verband hat das Talent in Preiner schon früh gesehen. Als sie bei der Junioren-WM 2014 in Eugene Neunte wurde und um einen Rang das Anrecht auf Sporthilfe verpasste, sprang der ÖLV ein. "Wir haben das damals übernommen, haben gesagt, das ist es uns wert. Wir haben schon immer an Verena geglaubt. Sie ist so bescheiden und eine richtige Arbeiterin", sagte Högler und bedankte sich bei Adler. "Wolfi macht das im Alleingang und er macht es richtig gut. Da kann ich nur sagen, Hut ab, danke für die Arbeit."

Gleich nach dem Siebenkampf ging Preiner in die Pause, zwei bis drei Wochen hat sie nun trainingsfrei. Sie wird die Zeit daheim verbringen, denn der wie ihre Eltern Martina und Peter nach Doha mitgereiste Freund Thomas hat keinen Urlaub mehr. "Er unterstützt mich, ist auf Trainingslager mit, bei Wettkämpfen und nimmt mir viel Arbeit ab. Auch meine Eltern sind ein super Support und mental eine Unterstützung." Begleitet hat sie der Lebenspartner auch vor der WM ins Trainingslager nach Belek, das sich Preiner mit Crowdfunding finanziert hatte. In Zukunft soll die Förderung aus anderen Töpfen kommen.

43.300 Euro für Bronze

Preiner bekommt wie der zweite WM-Bronzemedaillengewinner aus Österreich, Diskuswerfer Lukas Weißhaidinger, vom Weltverband 20.000 Dollar (18.300 Euro), und vom Österreichischen Verband dank eines Teamsponsors 25.000 Euro. "Ich werde mal sparen", erklärte Preiner, die vorrangig Sportmachen und nicht Geldverdienen im Kopf hat.

"Ich möchte mich von Disziplin zu Disziplin weiterentwicklen. Ich bin in der Weltspitze angekommen. Ich möchte bei den nächsten Großevents auch zeigen, dass ich vorne mitmischen und denen da vorne das Leben ganz schwer machen kann." Die vorne sind Weltmeisterin Katarina Johnson-Thompson (GBR/6.981) und Silbermedaillengewinnerin Nafissatou Thiam (BEL) 6.677, die zwei derzeit überragenden Mehrkämpferinnen.

2020 stehen für Preiner als Höhepunkt die Olympischen Spiele in Tokio auf dem Programm. "Eine Medaille kann man nicht planen. Ich werde versuchen, meine Punkte nach oben zu schrauben. Wenn es so aufgeht, freue mich natürlich umso mehr." Eingeplant hat sie die Hallen-Saison mit der Fünfkampf-WM. Danach soll vor Tokio ein Siebenkampf folgen.