Max Verstappen hat mit einem chaotischen Sieg beim verkürzten Großen Preis von Japan seinen zweiten WM-Titel in der Formel 1 vorzeitig fixiert. Der 25-jährige Niederländer raste am Sonntag im verregneten Suzuka zu seinem zwölften Saisonsieg, womit dem Red-Bull-Piloten bereits im fünftletzten Rennen die erfolgreiche Titelverteidigung gelang. "Ein unglaubliches Jahr. Diese Saison ist besonders", freute sich Verstappen nach einem langen Arbeitstag mit reichlich Verwirrung.

Obwohl weniger als 75 Prozent der Renndistanz und insgesamt 28 von 53 geplanten Runden absolviert wurden, vergab der Motorsport-Weltverband FIA laut Regelwerk die volle Punktezahl, da das Rennen letztlich auf der Strecke beendet wurde. Dadurch gewann Verstappen vor seinem Teamkollegen Sergio Perez und Ferrari-Rivale Charles Leclerc, der nach der Zieldurchfahrt noch eine Fünf-Sekunden-Strafe kassierte und auf den dritten Platz zurückfiel. Verstappen liegt im WM-Ranking damit 113 Punkte vor Perez und kann damit um einen Zähler nicht mehr eingeholt werden. Leclerc hat einen Rückstand von 114 Punkten.

Nicht nur bei Verstappen herrschte nach dem Rennen großes Rätseln um die Punktevergabe. "Nach dem ersten Interview kam jemand von der FIA zu mir und hat gesagt, dass ich Weltmeister bin. Weil Charles eine Strafe bekommen hat", erklärte der Champion bei ServusTV. "Wir haben die Übersicht verloren, aber es ist wurscht, wir sind Weltmeister", ergänzte Red-Bulls-Motorsportberater Helmut Marko.

Red Bull hat Titel zunächst nicht mitbekommen

Das Team habe es zunächst auch nicht mitbekommen, "unser Strategist hat gesagt, jetzt fehlt noch ein Punkt", erklärte Marko. Doch dann überraschte die Formel 1 mit einer Einblendung bei der Siegerehrung. "Und wie der da oben sagt, Weltmeister, ist es uns erst klar geworden. Ganz komische Situation, aber umso erfreulicher." RB-Teamchef Christian Horner war ebenfalls überglücklich: "Max hat das absolut verdient. Er ist unglaublich gefahren, nicht nur heute, die gesamte Saison herausragend."

Auch für Dietrich Mateschitz sei das "eine unglaubliche Leistung", sagte Horner. "Da können wir stolz drauf sein. Wir haben jetzt natürlich noch den Konstrukteurstitel, den wir noch nach Hause bringen müssen, aber wie das Team das dieses Jahr bewerkstelligt hat, ist phänomenal." Der Triumph in der Team-Wertung ist ebenfalls nur noch Formsache, in zwei Wochen geht es in den USA weiter.

Das Comeback in Japan - 2020 und 2021 wurden die Rennen aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt - wurde allerdings von einem Vorfall mit einem zu früh auf die Strecke gefahrenen Bergungsfahrzeug überschattet. Bereits vor dem Start auf dem Kurs südwestlich der Millionen-Metropole Nagoya war klar, dass die Fahrer das Rennen auf regennasser Fahrbahn bestreiten werden. Bei schwierigen Verhältnissen erwischte Leclerc auf Platz zwei den besseren Start als Pole-Setter Verstappen, doch der WM-Spitzenreiter nahm mehr Geschwindigkeit in die langgezogene erste Kurve mit und verteidigte damit seine Führung.

Große Aufregung über Gasly-Zwischenfall

Die Piloten entschieden sich fast geschlossen für Intermediate-Reifen, was unter anderem Ferrari-Fahrer Carlos Sainz zum Verhängnis wurde. Der Spanier drehte sich ohne Bodenhaftung in die Bande und schied aus. Das Rennen wurde kurz darauf aufgrund des stärken werdenden Niederschlags und der damit einhergehenden fehlenden Sicht unterbrochen. Für große Aufregung sorgte dabei ein Traktor, der bei schlechter Sicht zu früh und noch während der Safety-Car-Phase auf die Strecke fuhr.

"Das ist inakzeptabel, das kann ich nicht fassen", regte sich AlphaTauri-Pilot Pierre Gasly am Boxenfunk auf. "Ich hätte mich umbringen können." Dessen guter Freund Jules Bianchi war 2014 bei ähnlichen Bedingungen in Suzuka mit einem Bergungsfahrzeug kollidiert und verstarb einige Monate später. "Kein Respekt für das Leben des Fahrers, kein Respekt vor Jules' Gedächtnis, unglaublich", schrieb Philippe Bianchi, Vater von Jules, auf Instagram.

Die FIA lud Gasly unterdessen noch während der Regenpause vor, da der Franzose während der bereits geschwenkten Roten Flagge deutlich zu schnell gefahren sein soll. McLaren-Pilot Lando Norris war ebenfalls empört und äußerte sich in der Unterbrechung via Twitter: "Wie ist das passiert!? Wir haben vor Jahren ein Leben verloren. Wir riskieren unser Leben, besonders unter solchen Bedingungen. Wir wollen Rennen fahren. Aber das... inakzeptabel."

Das Rennen wurde nach einer mehr als zweistündigen Regenpause doch noch fortgesetzt. Hinter dem Safety Car und mit Regenreifen gab es bei verbesserten Witterungsverhältnissen mit etwa 40 Minuten Restzeit einen rollenden Start. Nach wenigen Runden kam es zum großen Wechsel auf Intermediates, Verstappen verteidigte seine Führung souverän vor Leclerc. In der Folge drehten die Fahrer ohne große Zwischenfälle ihre Runden, Verstappen baute seinen Vorsprung vorne mühelos aus.

Perez setzte Leclerc am Ende noch unter Druck und sorgte dafür, dass der Monegasse die letzte Schikane vor der Zieldurchfahrt abkürzen musste. Dadurch erhielt der Ferrari-Fahrer nach dem Rennen noch eine Fünf-Sekunden-Strafe. Nach dem Punkte-Chaos durfte sich Verstappen mit etwas Verspätung über den WM-Titel freuen.