In Hockenheim war er noch richtig krank – inzwischen fühlt sich Lewis Hamilton nach drei Tagen „Ausruhen zu Hause und sehr viel Schlafen“ wieder deutlich besser, „und ich hoffe, bis zum Rennen am Sonntag wieder hundertprozentig fit zu sein“, sagte der Brite in Ungarn. Wer ihm dabei hilft, wieder in Top-Form zu kommen, ist die zierliche, blonde „Frau an seiner Seite“: Angela Cullen, eine gebürtige Neuseeländerin, vor allem Physiotherapeutin aus der gerade im Motorsport sehr hoch geschätzten Organisation des 2016 an Krebs verstorbenen Finnen Aki Hintsa, inzwischen aber auch so etwas wie ein bisschen Hamiltons rechte Hand, Vertraute, persönliche Assistentin – alles in einem.

Angela Cullen ist selbst eine passionierte Sportlerin, spielte im neuseeländischen Jugend-Hockeynationalteam, unternahm später eine mehrere tausend Kilometer lange Radtour durch Südamerika, von Ushuaia im Feuerland bis nach Kolumbien. In ihrer Karriere als Physiotherapeutin betreute sie zunächst vor allem britische Leichtathleten und Triathleten, so etwa die britische 4x100 Meter Gold-Staffel bei Olympia 2004.

Idee beim Skifahren geboren

Der Wechsel in den Motorsport kam durch einen Kollegen zustande: Pete McNight, Hintsas Direktor für Coaching und Sportwissenschaften, kannte Angela Cullen aus gemeinsamen Zeiten am English Institute of Sports in London. Als man sich 2014 in den französischen Alpen zum Skifahren traf, wurde die Idee geboren, sie zur Hamilton-Betreuerin zu machen. Der fünfmalige Weltmeister hatte ja schon seit Beginn seiner Karriere eng mit Aki Hintsa zusammengearbeitet, betont immer wieder, wie viel ihm das gebracht hat. Hintsa, durch seine Krankheit damals schon nicht mehr voll einsatzfähig, und Knight hatten das Gefühl, dass das zwischen Cullen und Hamilton „passen könnte“ - und es passte offenbar perfekt.

Hintsas Philosophie, dass „Leistung ein Nebenprodukt von Sich-Wohlfühlen“ ist, habe ihr gefallen, deswegen habe sie sich entschlossen, die neue Herausforderung anzunehmen. „Diese Einstellung entspricht auch meinen Vorstellungen und Idealen menschlicher Leistungsfähigkeit.“ Etwas Besonderes sei es freilich schon, als Frau im Motorsport zu arbeiten, sagt sie auf der Website von Hintsa Performance, „bis dahin hatten die Fahrer ja meistens männliche Trainer, die eher von der Seite des Kraftsports kamen – ich war die erste Frau.“

Mit einem ganzheitlicheren Ansatz – und in dieser Beziehung vielleicht doch nicht ganz neu – scheinen da gewisse Parallelen zur Arbeitsweise des österreichischen Physios Josef Leberer erkennbar, gerade zu dessen enger Zusammenarbeit mit Ayrton Senna, den er ja sechs Jahre lang betreute. Beobachtet man Angela Cullen und Lewis Hamilton, sieht man ein sehr gut eingespieltes, vertrauensvolles Team, die immer fröhlich und locker wirkende Mitt-Vierzigerin, die zwei Kinder hat, scheint Kumpel, Entertainerin und manchmal auch Mama für den Rockstar der Formel 1 zu sein.

Beeindruckende Teamarbeit

Was sie in der Formel 1 am meisten beeindruckt habe, sei die Teamarbeit gewesen, sagt sie: „Das Team besteht aus lauter Weltklasse-Individuen, von denen jeder eine ganz unterschiedliche und wichtige Rolle für das Gesamtergebnis spielt. Ich habe ja selbst einige Mannschaftssportarten betrieben und kennengelernt, in denen man sich auf ein oder zwei Schlüsselspieler verlässt, aber im Motorsport muss wirklich jedes einzelne Teammitglied jeden Tag, jedes Wochenende seine Top-Leistung bringen, sonst geht etwas schief, fallen wortwörtlich die Räder ab.“

Interviews über ihre Arbeit mit Hamilton darf sie übrigens nicht geben: Das ist zum ersten Teil der Mercedes-Politik, einzelne Teammitglieder nicht besonders ins Rampenlicht zu stellen, entspricht aber auch den Wünschen Hamiltons, der entgegen des häufigen öffentlichen Eindrucks Dinge aus seinem engsten Privatleben auch wirklich privat halten möchte.