Die Geschichten, die ich in den letzten Tagen, Wochen und Monate über Niki Lauda geschrieben habe, waren stets getrieben von der Hoffnung, dass Niki Lauda auch diesen, seinen letzten Kampf überlebt. Dass er sich von den Wagnissen und Gefahren der Lungentransplantation, der er sich im Sommer 2018 unterziehen musste, erholt. Und sie übersteht. Tage der Ermunterung folgten auf Tage der Niedergeschlagenheit und umgekehrt. Die frühe Absage seiner Reise zum heurigen Formel-1-Auftakt nach Melbourne war so eine Akutnachricht, die einen nicht gerade positiv stimmt. Dann wieder ein erstes Interview in der italienischen „Gazzetta dello Sport“, als er seine Situation in typischer Lauda-Manier skizzierte. Es bliebe ihm nur Kämpfen, es sei das einzige, das er tun könne, sagte Lauda noch im Winter. Und: er habe es jeden Augenblick getan, er sei ja noch hier. Auch sein Sohn Mathias bestätigte vor gar nicht allzu langer Zeit, dass sein Vater den Überlebenskampf noch lange nicht aufgegeben habe und sich täglich in der Reha darum bemühe, wieder zu Kräften zu kommen. Umsonst. In der Nacht auf Dienstag teilte die Familie per E-Mail mit, dass Niki für immer eingeschlafen sei.

50 Sekunden in der Hölle

Es folgte die Reportage zum 70. Geburtstag, den er am 22. Februar gefeiert hat. Es war sein letzter, den er feiern durfte. Andreas Nikolaus Lauda war eine der größten Sport- und Wirtschaftshelden Österreichs. Und schon sein 70. Geburtstag stand eigentlich nur noch im Zeichen der Gesundheit. Dabei kannte die Welt „Niki“ ganz anders. Als Mann mit der roten Kappe und dem vernarbten Kopf, als Folgen seines Feuerunfalls 1976 auf dem Nürburgring, wo er erstmals in die Hölle blicken durfte, als er rund 50 Sekunden den Flammen seines brennenden Ferraris ausgesetzt war. Und dass er bereits 42 Tage später wieder in Monza ins Cockpit kletterte, machte ihn endgültig zur Legende. Auch dass er gerade in diesem Jahr im Regenchaos von Fuji das Titelduell mit James Hunt freiwillig aufgab.

Im August 1971 debütierte Lauda als 21-Jähriger in der Formel 1, in einem hoffnungslos unterlegenem March, auf dem Österreichring. Er setzte in Österreich fort, was mit dem tödlichen Unfall von Jochen Rindt ihren Ursprung hatte. Eine unglaubliche Aufbruchstimmung gerade im Motorsport. Mit dem Weltmeistertitel von Rindt waren wir Österreicher über Nacht berühmt geworden, eine ganz Nation, die sich nicht nur mehr über Ski-Erfolge zu freuen brauchte. Wir waren wer, in einer Sportart, die zuvor so gar nicht greifbar war, zu elitär schien die Formel 1. Lauda hat sich mit dem hohen Risiko eines Bankkredits in die Formel 1 eingekauft. Er war für sein damaliges Lebensziel bereit, nahezu jedes Risiko einzugehen. Er sagte sich von seinem herrschenden Großvater Hans los, demzufolge ein Lauda auf den Wirtschaftsseiten einer Tageszeitung zu erscheinen habe und nicht im Sport. Sein Großvater hatte den bereits geschlossen Kreditvertrag mit der Sparkasse zu Fall gebracht, Lauda ging zu Raiffeisen.

"Niki Nazionale"

Beim Formel-1-Debüt erreichte Niki Lauda natürlich nicht das Ziel. Aber es folgten Jahre, die Lauda immer mehr zur Ausnahmeerscheinung machten. Der erste Weltmeistertitel 1975 machte ihn zu „Niki Nazionale“, Held in Österreich und in Italien. Die Ferraristi liebten ihn. Natürlich prägten ihn der Feuerunfall am 1. August 1976, wo er im Krankenhaus schon die letzte Ölung erhalten hatte. Er kam zurück, wurde 1977 wieder Weltmeister. 1979 legte er eine schöpferische Pause ein. Mit dem berühmten Satz, er wolle nicht mehr nur im Kreis fahren, stieg er mitten im Training zum Großen Preis von Kanada aus der Formel 1 aus.

Er widmete sich dann nur mehr um seine Airline. Zuerst mit zwei Chartermaschinen, dann die Lauda Air. 1982 kehrte er wohl auch aus Promotion-Gründen wieder in die Formel 1 zurück. McLaren, der TAG-Porsche-Motor und erstmals das Kohlefaser-Chassis des John Barnard hatten Lauda überzeugt, noch einmal durchstarten zu können. Und wie: 1984 gewann er mit einem halben Punkt Vorsprung seinen dritten WM-Titel. Aber ein Jahr später war endgültig Schluss mit der Rennerei.

Wie im Sport hatte Lauda auch in der Fliegerei dunkle Augenblicke zu überstehen. Vor allem als am 26. Mai 1991 seine Boeing 767 in Thailand abstürzte und 223 Menschen den Tod fanden. Ende 2000 zog sich Lauda aus der Geschäftsleitung der Lauda Air zurück, die zur Gänze von der AUA geschluckt wurde. Daneben war er stets mit der Formel 1 weiter verbunden, als Ferrari-Berater (1993 bis 1995), als „piccolo commendatore“ fädelte er dort den Vertrag mit Michael Schumacher ein, er war Teamchef im glücklosen Jaguar-Rennstall.
Er war rastlos, pendelte weiter zwischen Fluglinie und Formel 1. 2004 gründete er „Niki“ später „flyniki“. 2011 verkaufte er seine Airline wieder zur Gänze an Air Berlin. Und 2012 wurde er zehnprozentiger Anteilhaber und Aufsichtsratvorsitzender des Mercedes-Formel-1-Teams. Gemeinsam mit Toto Wolff führte er die Silberpfeile zu einer schier endlosen Erfolgsserie.

Zwillinge Max und Mia

Inzwischen hatte Lauda 2008 Birgit Wetzinger geheiratet, die ihm schon 2005 eine weitere Niere gespendet hatte. Der Ehe entstammen die 2009 geborenen Zwillinge Max und Mia. Laudas Söhne aus erster Ehe mit Marlene Knaus, Lukas und Mathias, sind ebenfalls im Motorsport und Management tätig.

Die aktuellen gesundheitlichen Probleme waren Lauda wohl 2018 bewusst. Er musste wegen einer vermeintlichen Grippe seinen Ibiza-Urlaub abbrechen. Und als es scheinbar schon bergauf ging, kamen lebensgefährliche Komplikationen mit der vor 42 Jahren verätzten Lunge hinzu, was letztlich eine Organ-Transplantation im Wiener AKH notwendig machte. Im Herbst durfte er die Klinik verlassen, musste im Jänner aber wieder wegen einer Grippe ins Krankenhaus.

Seine direkte Art, zu fast allem Stellung zu beziehen, machten Lauda zu einer Kultfigur. Oder wie es Toto Wolff auszudrücken pflegte: „Niki war nach dem Abgang von Bernie Ecclestone die größte Persönlichkeit in der Formel 1.