Der 30. April war ein sehr sonniger Tag im Autodromo Enzo e Dino Ferrari, gleich am Stadtrand von Imola gelegen. Es war etwas zu heiß für diese Jahreszeit. Und Roland Ratzenberger bereitete sich im Fahrerlager auf seinen dritten Formel-1-Grand-Prix vor. In Brasilien hatte er die Qualifikation verpasst, in Aida (Japan) wurde er Elfter. Ein ehemaliger Kollege hatte damals in Imola ein Interview mit Ratzenberger vereinbart, nach dem Qualifying am Samstag. Aber schon zu Mittag holte Ratzenberger den Journalisten ins Teamzelt. „Komm, reden wir gleich, trinken wir einen Kaffee, wer weiß, was nachher ist. . .“ Das waren fast schon die letzten Worte des Salzburgers.

Denn ihm waren nur 58 Tage als Formel-1-Pilot vergönnt. Erst mit 34 Jahren schaffte er den Sprung in ein Cockpit, bei Simtek, einem eher mittellosen Rennstall, der zum Teil mit altem und gebrauchten Material fahren musste. Vor seinem endgültigen Formel-1-Einstieg, 1991 zerschlug sein ein weit gediehener Deal am Mangel von Sponsoren, versuchte sich Roland auf der ganzen Welt. Er war in England bekannter als in Salzburg, er hatte das Race of Champions beim Formel-Ford-Festival 1986 in Brands Hatch gewonnen, er hatte in Japan mehr Fans als in Österreich. Im fernen Osten fuhr er die Formel-3000-Meisterschaft und für Toyota Sportwagenrennen, auch in Le Mans.

Einer dieser Kollegen war der Finne JJ Lehto, ein Nachbar in Monaco, mit dem er auch 1994 über die Autobahn nach Imola angereist war. In Imola war er recht zuversichtlich, sein Können noch besser unter Beweis stellen zu können, ihm war wichtig, besser zu sein als der Teamkollegen David Brabham.
Ratzenberger rollte am Nachmittag hinaus, zum zweiten Qualifying. Zwischen der Tamburello- und der Tosa-Kurve bricht vor einem schnellen Rechtsknick der Frontflügel, der Simtek wird unkontrollierbar. Und Ratzenberger knallt mit rund 320 km/h in die Betonmauer. Der Geschwindigkeit war zu hoch, der Einschlagwinkel zu ungünstig. Und bei den widerstandslosen Kopfbewegungen des Österreichers nach dem Crash war vielen schon klar: Diesmal haben alle Schutzengel nicht mehr helfen können. Oder wie später einmal Clay Regazzoni nach dem Unfall von Rubens Barrichello am Freitag in Imola meinte: „Rubens hat schon am Freitag das letzte Quäntchen Glück der Formel 1 aufgebraucht.

Das letzte Interview

Alle Versuche umsonst

Auch Rennarzt Dr. Sid Watkins merkte an der Unfallstelle, dass jede Hilfe zu spät kommt. Alle Wiederbelebungsversuche mit Herzmassage blieben erfolglos. Auch noch im Medical Center an der Rennstrecke war der Österreicher nicht mehr zu retten. Ratzenberger wurde per Hubschrauber in die Maggiore-Klinik nach Bologna geflogen. Und erst dort, erst eine knappe Stunde später, wurde der Tod des österreichischen Rennfahrers bekannt gegeben.
Was aber nichts mit dem medizinischen Zustand von Ratzenberger zu tun gehabt hatte. Laut italienischer Gesetzgebung hätte nämlich das Rennen in Imola abgesagt werden müssen, wäre der Tod des Maxglaners schon auf der Rennstrecke offiziell bekannt gegeben worden. Es hätte kein einziges Auto mehr auf die Rennstrecke fahren dürfen. Und Ayrton Senna wäre am Sonntag auch nicht gestorben. Übrigens: Auch der Tod des Brasilianers wurde erst in der Klinik in Bologna offiziell, obwohl er bereits an der Unfallstelle keine Chance mehr gehabte hatte. Das Rennen wurde neu gestartet, Michael Schumacher als Sieger gefeiert. „The show must go on...“

Die ganze Wahrheit

Ja, zuerst“, sagt heute Rudi Ratzenberger, 85-jähriger Vater von Roland, „haben wir auch nur gewusst, was im Fernsehen zu beobachten war. Damals lief das Training nur im Eurosport, glaube ich. Erst später, bei der Beerdigung meines Sohnes, hat uns der damalige FIA-Präsident Max Mosley erst ganz genau erzählt, was wirklich war.“

Vor allem brasilianische Journalisten haben versucht, die ganze Wahrheit herauszufinden. So sollen sogar die Wiederbelebungsversuche nur vorgetäuscht worden sein. „Es ist ziemlich viel im Sande verlaufen“, meint Ratzenberger senior. „Das war auch ein Grund, warum wir der Gerichtseinladung zur Aufklärung der Geschehnisse in Imola nie gefolgt sind. Es kam und kommt ja eh’ nie was heraus“, ist der Vater heute noch überzeugt.

Die Eltern von Roland Ratzenberger zogen nach dem Unfall in die Wohnung in Salzburg, die sein Sohn kurz vor dem tragischen Unfall erworben hatte. Die heute ein kleines Museum ist. „Na, so schlimm ist es nicht, ein paar Erinnerungsstücke haben wir uns freilich aufgehoben. Vor allem auch aus Rolands Zeit in Japan. Einen Overall, „nur ein paar Kleinigkeiten.“ Anrufe bekommt er noch heute. Von Journalisten, Fans, TV-Stationen...