Der Vorsprung der Silberpfeile soll nicht mehr so gravierend sein. Hieß es bis vor wenigen Wochen. Bis das Motor-Update (Frankreich) aus Stuttgart gekommen ist, bis das neue Aerodynamik-Paket in Spielberg auf die Dienstfahrzeuge von Lewis Hamilton und Valtteri Bottas geschraubt worden ist.

Da hat man, wie die freien Fahrten auf dem Red-Bull-Ring schon am Freitag gezeigt haben, den alten Vorsprung wieder hergestellt. Im italienischen Maranello rauchten die Köpfe, die Fehleranfälligkeit auf allen Seiten (auch bei Sebastian Vettel) war steigend. Und bei Red Bull entledigte man sich der Zukunftssorge mit einem neuen Motorenvertrag. Marko-San grantelte ein bisschen weniger und holte Honda an Bord.

Mit einem Heimsieg wird es dennoch nix, war man überzeugt im Red-Bull-Holzhaus im Fahrerlager. Weil das „gewöhnliche“ Motorhome schon unterwegs nach Silverstone war, entlehnte man für den Formel-1-GP von Österreich den Prachtbau aus der MotoGP. Und so gab man sich dem Unvermeidbaren hin, Mercedes würde halt wieder gewinnen. „Bergauf zur Kurve zwei lassen die das gesamte Feld stehen“, orakelte Gerhard Berger ...

Aber unverhofft kommt oft und es kam doch alles anders. Anfangs war die Dominanz der Silberpfeile noch eklatant, aber mit dem plötzlichen Getriebeschaden von Valtteri Bottas nahm die Geschichte das Österreich-Grand-Prix einen gänzlich anderen Verlauf. Der Finne musste seinen Mercedes ungünstig abstellen, die Rennleitung entschied sich zu einem „Virtual Safety Car“ (VSC). In dieser Phase müssen alle das tempo herausnehmen, Überholen ist nicht gestattet.

Eine ideale Gelegenheit, die weichen Reifen zu tauschen. Was alle machten – nur Lewis Hamilton, der Führende, nicht. Man glaubte in der Mercedes-Box, dass das „VSC“ das Renntempo länger bestimmen würde. Da lag man leider daneben. Und mit dieser Fehlstrategie verlor am Ende Mercedes auch das Rennen. Was man am Ende auch selbst zugab: „Unser Fehler, leider! Alles war du tun kannst, Lewis, ist drei Autos zu überholen. Du hast das Potenzial“, funkte man. Ein frommer Wunsch, der sich nicht erfüllte. Denn wie zuvor Daniel Ricciardo hatte auch Hamilton mit schlimmer Blasenbildung am linken Hinterreifen zu kämpfen, die das Fahrverhalten in den Kurven nicht wirklich verbesserte. Weniger Probleme hatten Max Verstappen und die Ferraris, die diesmal auch die angesprochen Fehleranfälligkeit auf überraschende Weise ablegen konnten.

Es war bald klar, dass sich Max Verstappen an diesem Tag nicht mehr einholen lassen wollte. Er fuhr ein souveränes Rennen, fehlerfrei, makellos, auch ohne draufgängerische Einlagen. Die Holländer, es waren weit mehr als 20.000, wachelten auf „ihrer“ Tribüne noch mehr mit ihren orangen Fahnen als sonst. Und auf den anderen Tribünen bot sich dasselbe Bild: Fahnenschwingen, nur eben in rot-weiß-rot. Der Red-Bull-Ring wurde zum niederländisch-österreichischen  Festivalgelände, nur der englische Teil von Red-Bull-Racing ging völlig unter - zumal alle Schlüsselfiguren in Lederhosen gekleidet waren.

Mit seinem vierten Sieg ließ Verstappen seine Kritiker („zu ungeduldig, zu fehlerhaft, zu uneinsichtig“) verstummen und meinte: „Es war schwer mit den Reifen, aber ein Red-Bull-Sieg auf dem Red-Bull-Ring ist einfach unglaublich!“