Es ist kompliziert – wie immer in Österreich, wenn Sportverbände in der jüngeren Vergangenheit auf Neuwahlen hinsteuern. Auch das Österreichische Olympische Comitée (ÖOC) wählt den Vorstand am 14. Juni – und das nach einer wegen Corona um zwei Jahre auf sechs Jahre ausgedehnten Funktionsperiode. 2020 war, wegen der um ein Jahr verschobenen Sommerspiele in Tokio, beschlossen worden, die Wahl auf 2023 zu verlegen. Klar war, dass es im Vorstand eine Auffrischung, eine Verjüngung geben sollte. Nicht absehbar war, dass der Vorschlag der Wahlkommission unter dem Vorsitz von Union-Präsident Peter McDonald eine wahre Revolution werden würde. Allerdings eine, die nicht nur Gefallen findet. Und das unglücklicherweise just bei denen, um die es gehen sollte: den Athletinnen und Athleten.

Aber der Reihe nach: Oberstes Ziel war es, eben nicht in dieselben Routinen zu verfallen, die schon im Skiverband ÖSV und im Fußballverband ÖFB für Missstimmungen sorgten und sorgen. Eine Kampfabstimmung sollte vermieden werden. Der Vorschlag, den die Kommission nun ausgearbeitet hat, spricht aber eher fürs Gegenteil. In aller Kürze: Aus dem bisherigen Vorstand fallen, teils aus Altersgründen, teils, weil sie auch in "ihren" Verbänden nicht mehr am Ruder sind, folgende Personen: Peter Schröcksnadel (Ski), Otto Flum (Radsport), Gernot Mitterdorfer (Eishockey) und Peter Kleinmann (Volleyball), Herbert Houf (Segeln). Doch der neue Vorschlag bringt gleich acht "Neue" ins Spiel, wie man erfuhr: Roswitha Stadlober (Ski), Gernot Leitner (Volleyball), Gerald Martens (Basketball) – diese drei als Vizepräsidenten – Gabi Jahn (Turnen), Martin Poiger (Judo), Arno Pajek (Schwimmen) Elke Romauch (Tennis) und Thomas Reichenauer (Ringen). Horst Nussbaumer (Rudern), Sonja Spendlhofer (Leichtatheltik) waren bereits im Vorstand – wie auch die Athletenkommission und natürlich Präsident Karl Stoss, der im Amt bleiben würde. Allerdings wohl nur, wenn er mit dem neuen Vorstand auch arbeiten kann und will. 

Wahlvorschlag stößt nicht auf Gegenliebe

Der Wahlvorschlag stößt aber offenbar nicht auf Gegenliebe. Und das angeblich nicht nur beim amtierenden Präsidenten Karl Stoss, der sich eine andere Zusammensetzung des Vorstandes gewünscht hätte. McDonald aber hatte schon im Vorfeld betont, dass es keinerlei Mauscheleien geben sollte. Und er hatte seinem Wunsch Ausdruck verliehen, dass man die Frauenquote heben wolle. Das ist jedenfalls gelungen, auch ist der Vorstand, für den die einzelnen Verbände Vorschläge unterbreiten konnten, deutlich verjüngt.

Nur ein Wunsch ging offenbar nicht in Erfüllung: der nach "breiter Zustimmung". Denn diese blieb aus – und zwar just vonseiten der Athletenkommission, die im Vorstand durch Matthias Guggenberger als deren Vorsitzender vertreten ist und zwei Stimmen hat. Genau dieses Stimmrecht sollte den Athleten aber offenbar verweigert werden, wie aus dem Protokoll zu entnehmen ist. Grund genug für die Athleten, nach interner Abstimmung einen Brief an die handelnden Personen zu senden: "Wir wenden uns heute an Sie, um unsere tiefe Besorgnis über den Vorfall während der letzten abgehaltenen Hauptversammlung zum Ausdruck zu bringen", beginnt dieses Schreiben, das der Kleinen Zeitung vorliegt. 

Zu wenig Wintersportverbände im Vorstand?

Der Inhalt hat Brisanz, denn die Athletenkommission stellt darin fest, dass sie "das Vorgehen rund um den neuen Wahlvorschlag nicht unterstützt und hinnehmen kann." Begründet wird das eben mit dem Versuch, den Athleten das Stimmrecht zu verweigern (was nach Konsultation der Juristen aber dann doch nicht geschah). Und auch damit, dass die neue Zusammensetzung des Vorstandes nicht repräsentativ sei. Denn: Mit Roswitha Stadlober und Markus Prock gäbe es nur noch zwei Wintersportvertreter, was angesichts der Erfolge im Winter tatsächlich wenig wirkt. 

Im Brief fordern die neun unterzeichnenden Athletinnen und Athleten, "dass die Athletenkommission ihre Rechte und ihre Interessen schützt und sicherstellt. Es gilt festzuhalten, dass jedes Vorstandsmitglied und jede Stimme in der Hauptversammlung fair und gleichbehandelt wird." Man fordere überdies eine "Überarbeitung" und "kritische Auseinandersetzung" mit dem Wahlvorschlag – zumal der Wintersport eben unterrepräsentiert sei. Weiterer Kritikpunkt: Die im Vorschlag bereits erfolgte Bestimmung der Vizepräsidenten, die aber "in Abstimmung mit dem Präsidenten erfolgen soll".

Kommt die "große Revolution"?

Ein weiteres Zeichen, dass Karl Stoss, der am Mittwoch noch für keine Stellungnahme erreichbar war, selbst nicht glücklich mit dem Vorschlag ist. Offen bleibt, ob die "Revolution" des Vorstandes damit ins Stocken gerät – oder ob sie gar ein größeres Ausmaß annimmt: Denn, wenn Stoss – Österreichs einziges Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee IOC – nicht mehr will, dann wäre wohl auch der Abgang von Generalsekretär Peter Mennel nicht weit. So oder so: Bis zur Wahl bleiben noch vier Wochen. Bis zu Olympia in Paris noch rund 14 Monate.