Das Mutterland des Fußballs hat mich in meinen acht Jahren auf der Insel geprägt wie kein anderes Land. Die Intensität und Leidenschaft, die Mentalität und die Kultur, wie Fußball dort gelebt wird, ist einzigartig. Einzigartig blieb auch der bis dato letzte WM-Titel der Engländer im Jahr 1966, danach folgten Pleiten-, Pech- und Pannenserien.

Zu Teil 1: "Boykott ist für mich kein Thema"

Aber dann kam ja Gareth Southgate, der die englische Nationalmannschaft wieder international salonfähig machte und der großen Fußballnation wieder eine Identität verpasste. Nach dem fast gelungenen, ganz großen Coup bei der Heim-EM 2020 schlitterten meine geliebten Engländer aber in eine sanfte Glaubenskrise. Der Abstieg aus der Gruppe A der Nations League, eine vehemente Ladehemmung vor dem gegnerischen Tor, eine fehlende Kreativabteilung und ein gescholtener Harry Maguire waren für die "Yellow Press" genug, um den Teamchef vor der WM in Katar zu hinterfragen.

Er habe nur einen Plan A, hieß es – und dennoch kamen die "Three Lions" in der Gruppe B unter, welche heute erstmalig unter die Lupe genommen wird. Harry Kane, genannt "Hurricane", soll es heute an vorderster Front richten. 51 Tore stehen im Nationalteam zu Buche, mit zwei weiteren Volltreffern würde sich der 29-Jährige den Allzeitrekord von Wayne Rooney schnappen. Mit der aussagekräftigen "One Love" Kapitänsbinde nimmt nicht nur er, sondern auch der englische Fußballverband klar Stellung zum Thema Ausgrenzung und Menschenrechtsverletzung.

Miteinbeziehen muss an dieser Stelle den iranischen Trainer Carlos Queiroz, der seinen Gegner kennt wie kein anderer. Als rechte Hand und langjähriger Assistent von Sir Alex Ferguson wird er wohl als einziger wirklich wissen, ob die Engländer nun mit einer Dreier- oder einer Vierer-kette auflaufen. Im Iran wird er geliebt, hat er doch das Land schon zu manch WM-Endrunde geführt. 

Mein "Must to watch"-Spiel – England gegen Iran – wird also um 14 Uhr im "Khalifa International Stadium" angepfiffen, aber please don't forget eine wirklich interessante Paarung zwischen dem frisch gekrönten Afrika-Cup-Sieger Senegal und den "Oranjes" von Louis van Gaal. Für Sadio Mané gibt es absolut keinen Ersatz, seine Fähigkeiten und sein Lächeln wird Senegal schmerzlich am Platz vermissen. Die Niederländer sind wiederum zurück im Geschäft, nachdem man bei der letzten WM nur zu Hause in Amsterdam eine Runde mit dem Fahrrad drehen durfte.  

Um ehrlich zu sein: USA gegen Wales wird sich für mich nicht mehr ausgehen. Ich muss den Kindern jeden Abend eine neue, selbst erfundene Geschichte von "Dr. Braunbär" erzählen, dem besten Arzt des Waldes. Mit hoher Wahrscheinlichkeit befinde ich mich zu dieser Zeit in einer kleinen Erholungsphase und träume noch vom Sieg der Engländer. Auf dass sich bei der Hymne nur keiner versingt – auch King Charles wird zusehen "and sends them victorious" ...

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