Als Sie im November nach Barnsley kamen, war der Klub Stockletzter. Wie haben Sie in so kurzer Zeit die Wende geschafft?

Gerhard Struber:Wir haben alles von links nach rechts gedreht, die Startelf stark verändert, vielen Spielern neue Positionen gegeben und unseren Stil, den wir schon beim WAC praktizierten, in die Mannschaft gebracht.

Der für die Championship ja fast Neuland und bahnbrechend ist?

Hier steht die Physis oben drüber, dazu wird dann gerne mit langen und zweiten Bällen gespielt. Wir merken, dass unser Spielstil (Anm.: Stichwort Gegenpressing) für die Gegner unangenehm ist. Unser Team ist physisch sehr gut. Nun gilt es, dies mit einer guten Balance im technisch-taktisch Bereich zu verbinden: im richtigen Moment, gemeinsam ins Sprinten zu kommen. Da haben wir einen riesen Schritt nach vorne gemacht.

Wie wird Ihre Arbeit in der Öffentlichkeit wahrgenommen?

Vereine, Funktionäre und die Öffentlichkeit sind erstaunt darüber, was wir hier bei einem Klub mit kleinem Budget leisten. Barnsley wurde schon tot gesprochen. Jeder meinte, wir müssen in Wahrheit bereits für die Zeit nach dem Abstieg in die League One planen. Wenn du dann Klubs wie Huddersfield mit einem zehnfach höheren Budget oder die Queens Park Rangers besiegst, dann ist der Effekt umso größer, der Scheinwerfer auf uns extrem drauf.

Die Stimmung in den Stadien wird ja eine besondere sein?

Absolut. Es geht hier richtig ab. Es gibt nicht nur ein Fan-Kern. Hier ist das ganze Stadion unglaublich laut. Der Fußball dominiert überall. Und rund um den Boxing Day am 26. Dezember ist es sowieso explodiert. Alle Stadien waren ausverkauft.

Wie benehmen sich die Fans?

Vorbildlich. Es gibt keine Zäune in den Stadien. Wenn irgendeiner einmal die Idee hätte, etwas hinein zuschmeißen, wird das ganz hart sanktioniert. Da ist man gleich einmal für immer aus dem Stadion verbannt. Die Stimmung ist generell unglaublich positiv. Die Fans stehen sehr hinter ihren Teams. Speziell wie wir es hier erleben, haben wir die Fans komplett auf unserer Seite. Die Atmosphäre ist schon einzigartig.

Bleibt Ihnen Zeit, um zwischendurch abzuschalten?

Nein, keineswegs. Wir sind super dabei, haben in kurzer Zeit viele Punkte gemacht. Fakt ist aber auch, das wir noch immer in der Abstiegszone sind. Die Championship ist eine richtige Teufelsliga, in der du in jedem Spiel ans Limit musst, um ins Punkten zu kommen.

Da kann Ihnen Neuzugang Marcel Ritzmaier sicherlich helfen?

Bei seinem Debüt am Samstag, dem 2:1 im Derby gegen Huddersfield war er immer wieder ein guter Ankerpunkt für die Jungs, um die Bälle sauber flach zu machen und Ruhe ins Spiel zu bringen. Er hat auch erlebt, welche Intensität da drinnen ist. Ich freu' mich für ihn, dass er den Sprung nach England hat machen können. Er kann jetzt unter Beweis stellen, welch cooler Kicker er ist.

Marcel Ritzmaier (rechts) wechselte im Jänner vom WAC nach Barnsley
Marcel Ritzmaier (rechts) wechselte im Jänner vom WAC nach Barnsley © FC Barnsley/KK

Sie sprechen Huddersfield an. Gibt es aus Sicht von Barnsley in der Championship noch weitere Derbys bzw. Kracherpartien?

Huddersfield ist nur 20 Minuten von uns weg, das war schon ein richtiges Highlight und eine aufgekochte Stimmung. Die haben 4500 Fans mitgebracht. Auch Derby County – mit Wayne Rooney – ist nur eine dreiviertel Stunde entfernt. Dann sind da noch die Spiele in London, wie gegen Fulham, auf die wir uns schon richtig freuen. Natürlich ist auch der FA-Cup ein riesengroßes Thema. Mit Portsmouth haben wir eine League-One-Verein gezogen. Und dann gibt es das große Derby gegen Sheffield Wednesday am 8. Februar. Das ist unser „Hater-Club“, vergleichbar mit der Rivalität zwischen Rapid und Austria Wien. Das wird ein Hochsicherheitsspiel.

Wie geht’s mit dem Englisch?

Wenn ich mich auf eine Sitzung vorbereiten kann, bring’ ich meine Botschaften zu 100 Prozent drüber. Herausfordernd ist in der Halbzeitpause, wenn es emotionaler werden muss, die richtigen Worte zu finden. Ich glaube aber, dass die Jungs immer wissen, was ich will. Gleichzeitig, wie sich die Mannschaft technisch-taktisch entwickelt, entwickle ich mich auch in der Sprache weiter.

Barnsley liegt im Norden, nahe Manchester. Der Dialekt hat da wenig mit Schulenglisch zu tun?

Wenn du eher in den Süden kommst und die Journalisten stellen Fragen, dann ist es relativ easy, sie zu verstehen. Aber hier oben ist englisch teilweise wie bei uns im Ländle. Da muss man schon öfters nachfragen. Aber am Ende des Tages kriegt man es hin, man lernt dazu und ich merke es selber auch: Ich hab mich in den letzten zwei Monaten richtig entwickeln können. Das ist auch wichtig als Trainer, wenn du die Möglichkeit kriegst, aus deiner eigenen Komfortzone zu steigen und dich auf dünnes Eis zu bewegen, dann entwickelst du dich auch weiter.

Verfolgen Sie noch den WAC?

Natürlich. Ich bin mit den Jungs noch laufend in Kontakt. Wir hatten nicht nur eine Trainer-Spieler-Zusammenarbeit. Es war mit einigen Spielern ein richtiges freundschaftliches Verhältnis. Wir sind stetig im Austausch, das ist ganz normal.

Kamen daher auch die Gerüchte, sie würden beim WAC nach Spielern wildern?

Möglicherweise. Wenn mich heute wer fragt, wer für mich beim WAC interessant ist, dann muss ich sagen: Ich pack fast die ganze Mannschaft mit in den Sack und nehm' sie mit nach England. Weil ich einfach von vielen Spielern beim WAC eine unglaublich hohe Meinung hab. Ich möchte aber ganz klar festhalten: Außer mit Marcel Ritzmaier gab es nie irgendwas in Richtung Transfer. Michael Sollbauer und Michael Novak waren für uns kein Thema.

Sie sind ja ein richtiger Familienmensch. Fehlen Ihnen Ihre Frau und Ihre Kinder?

Ja, so richtig. Wenn ich einmal zwei Tage frei habe, dann versuche ich heim zufliegen. Meine Frau war auch schon da. In den Semesterferien kommt sie mit den Kindern. Es ist im Moment eine Herausforderung für die Familie. Es ist nicht einfach zu erleben, dass wir uns im Moment weniger sehen. Das tut mir selber richtig weh, aber wir haben uns gemeinsam dafür entschieden. Das ist der Preis, den wir jetzt zahlen, dass ich richtig coole Fußball-Erlebnisse ein hamstere.

Ein Familien-Nachzug nach Barnsley ist kein Thema?

Nein. Jeder kennt die Mechanismen im Fußball. Meine Familie ist in der Heimat stark verwurzelt. Basti macht erste Klasse Mittelschule, spielt bei RB Salzburg in der U11, Simona geht die Matura an. Meine Frau ist in Kuchl. Wir alle wissen: Läuft es bei einem Trainer nicht, kann er vielleicht schon nach zwei Monaten seine Sachen packen. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, es so zu managen, wie es jetzt ist. Vielleicht kommt aber einmal der Zeitpunkt wo wir sagen: Jetzt gehen wir miteinander.

Das Interesse an Struber und seiner Arbeit ist riesengroß
Das Interesse an Struber und seiner Arbeit ist riesengroß © FC Barnsley/KK