Vor dem Jubel flogen erst einmal die Fetzen. Es ist alles andere als ungewöhnlich, dass rund um Titel-Gewinne Mythen und Legenden entstehen, sich gewisse Situationen oder Momentaufnahmen ins kollektive Gedächtnis einprägen.

Wer alt genug ist und Sturms Meistertitel 1999 miterlebt hat, wird auch 25 Jahre später wissen, was mit den Begriffen Derby, Prilasnig, Handspiel und Martens gemeint ist.

Es ist alles andere als unwahrscheinlich, dass rund um den Cupsieg 2024 der Kabinen-Weckruf zur Pause zur Legende wird, von der man auch in vielen Jahren noch weiß, was gemeint ist.

Denn angesichts des 0:1-Rückstands zur Pause krachte es in der Halbzeit richtig. Und zwar nicht von Seiten des Trainers, wie man annehmen würde, sondern unter den Sturm-Kickern.

„Das war für mich der große Wendepunkt“, blickte Coach Christian Ilzer zurück, „die Spieler haben sich angebrüllt, aber im positiven Sinn. Das hat mir gezeigt, wie unglaublich dieses Team lebt. Sie sind Winner-Typen, richtige Winner-Typen.“

Gregory Wüthrich und Otar Kiteishvili schlüpften in die Rollen der Wortführer. Richtig gelesen, auch Kiteishvili, der in der Öffentlichkeit nicht wirklich für sein lautstarkes Auftreten bekannt ist.

Affengruber: „So laut kenne ich Kite gar nicht“

„Kite war sehr laut. So kenne ich ihn gar nicht“, lachte auch David Affengruber. „Wir haben einfach gespürt, dass die Mannschaft einen Weckruf braucht“, erläuterte Wüthrich diese Motivations-Maßnahme der Führungsspieler, „da sind wir in der Verantwortung, das ist unser Job. Ich weiß, dass wir das bessere Team als Rapid sind, aber ein Finale ist halt immer ein Finale, da kann alles passieren.“

Was bei Sturm nach der Pause passierte, machte die Kabinen-Brüllerei zum Schlüsselmoment der gelungenen Cup-Titelverteidigung. „In der ersten Halbzeit haben wir zahlreiche 50:50-Duelle verloren, nach der Pause waren alle bei uns. Das ist der Schlüssel gewesen“, fand Affengruber, der den 1:1-Ausgleich durch ein Eigentor von Leopold Querfeld (49.) per Kopfball erzwungen hat.

Jusuf Gazibegovic, der das direkte Duell vor dem 0:1 verlor, ergänzte: „Davor waren wir zu lasch in den Zweikämpfen, das Gegentor beschreibt es am besten. Also haben wir uns in der Halbzeit ein bisschen angemacht. Wie man sieht, hat es geholfen. Wir sind eben keine Weicheier.“

Ilzers innerliches Grinsen

Für einen Trainer ist es quasi ein Traum-Szenario, wenn die eigene Mannschaft einen Punkt erlangt hat, in der sie vieles selbst regelt. Ilzer prägte dafür schon vor einiger Zeit das Bild des Kreises, in den er nur tritt, wenn es wirklich notwendig ist. Ansonsten überlässt er viele interne Angelegenheiten seinen Spielern. „Heute war ich die ganze Zeit draußen“, grinste der 46-Jährige sichtbar nach dem Schlusspfiff. In der Pause tat er es rein für sich: „Innerlich hatte ich ein Riesen-Grinsen oben, als ich gehört habe, wie die Mannschaft in der Pause agiert und kommuniziert hat.“

Neben einigen taktischen Anweisungen gab Ilzer seinen Jungs nur mehr mit in die zweiten 45 Minuten, dass sie diese Energie jetzt nur noch auf den Platz bringen müssten. Der Rest war Vertrauenssache. Ilzer: „Es war ein turbulenter Flug. Viele im Flugzeug waren sehr nervös. Ich bin seelenruhig drinnen gesessen, weil ich wusste, dass meine Mannschaft der Pilot dieses Flugzeugs ist.“