Sie scheinen jetzt konstant in Bestform zu sein. Geht es noch besser?
MARKO ARNAUTOVIC: Es geht immer mehr. Mehr Tore, mehr Dribblings, es gibt von allem mehr, es gibt nichts, was man nicht besser machen könnte.

Aber so wie Sie im Nationalteam und im Verein auftreten, das ist schon herzeigbar, oder?
ARNAUTOVIC: Ja, natürlich. Aber es ist ein schwieriger Weg für mich gewesen. Ich war nicht immer auf einem Topniveau, wollte aber immer dahin. Jetzt bin ich auf einem guten Weg und will ihn beibehalten. Ich will einfach von Tag zu Tag mehr Leistung bringen.

Worin sehen Sie den Grund, dass Sie nicht immer auf dem Topniveau waren?
ARNAUTOVIC: Ich habe mich zu viel mit anderen Sachen beschäftigt. Es war ein Fehler von mir. Ich denke, dass ich mich jetzt auf das Wesentliche konzentriere, dass ich alles abschalte, wenn ich auf dem Platz stehe. Dann kann ich meine volle Leistung bringen. Natürlich war das früher auch der Fall, aber halt nicht konstant.

War der Schritt, zu Stoke zu wechseln, der richtige?
ARNAUTOVIC: Ich denke, es war der richtige Zeitpunkt. Es sind viele sehr, sehr gute Spieler dabei, die es auch nicht immer leicht gehabt haben in ihrer Karriere. Die wollten den Neuanfang bei Stoke. Und mit Mark Hughes haben wir auch einen sehr guten Trainer.

Sie haben zwei Trainer, einen beim Klub und den Teamchef. Spürt man diese Rückendeckung, ist das wichtig für Sie?
ARNAUTOVIC: Mit dem Stoke-Trainer läuft es sehr gut. Und wenn ich zum Nationalteam komme, weiß ich, was ich vom Trainer habe, und der Trainer weiß, was er von mir hat. Ich versuche, ihm das zurückzugeben, was er mir gegeben hat. Er hat mir immer das Vertrauen geschenkt und mehr Ruhe in mein Leben gebracht. Er hat viel geredet, er hat gesagt, ich muss Ruhe in mir selber finden und mich aufs Wesentliche konzentrieren. Das hat er mir beigebracht.

War ausschließlich Teamchef Marcel Koller entscheidend für Ihre Wandlung oder gab es noch andere Faktoren?
ARNAUTOVIC: Der erste Faktor sind meine Kinder. Meine Familie hat mir auch sehr geholfen. Dann kommen die Trainer und die Spieler.

Sie waren schon einmal bei einem Topverein, bei Inter Mailand. Aber da waren Sie nicht involviert. Jetzt sind Sie voll beteiligt am Erfolg der EM-Qualifikation. Fix dabei. Wie fühlt sich das an?
ARNAUTOVIC: Sehr gut. Du hast ja was dafür geleistet. Bei Inter waren es meine Verletzungen, dann hatte ich einige Problemchen. Nach einem halben Jahr war ich auf einmal der Spieler für Mourinho. Dann hat er mir alles vor die Füße gelegt, aber ich habe keine Spielminuten bekommen. Dann haben wir alles gewonnen. Aber ich habe immer gesagt, bei mir steht zwar Champions-League-Sieger, aber das bin ich nicht.

Wann haben Sie eigentlich mit dem Fußball begonnen?
ARNAUTOVIC: Da war ich fünf, da bin ich zum FAC. Aber egal, wo ich war, ich habe immer einen Ball bei mir gehabt. Ich habe überall gespielt. Ob das Beton war, Schotter oder Steine. In Serbien, wenn ich meine Familie besucht habe, sind wir auf die Straße gegangen. Ich war zwölf damals. Da war ein großer Baum, darunter nur so Schotter, Kieselsteine. Ich komm dorthin und seh die Leute ohne Schuhe und Socken spielen. Sie haben sie ausgezogen. Dann frage ich, warum ziehts ihr die nicht an? Sagen sie, barfuß ist man leichtfüßiger. Sage ich okay. Dann habe ich es auch probiert. Ich war überall aufgeschürft, habe geblutet. Die haben auch geblutet, aber ihnen hat das nichts ausgemacht. Mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt, dann habe ich auf einmal barfuß gespielt, auf Kieselsteinen. Bis mein Vater gesagt hat: „Heast, jetzt ziehst aber wieder die Schuhe an!“

Wann haben Sie gemerkt, dass Sie wirklich was können?
ARNAUTOVIC: Mit zehn haben wir die Turniere gehabt und ich war immer Torschützenkönig. Dann ist ein Kontakt nach Holland hergestellt worden, bei Twente Enschede wurde ein Probetraining organisiert. Dann haben sie gesagt, der kann gleich hierbleiben.

Ging es nicht zu schnell?
ARNAUTOVIC: Nein. Bei Twente war es okay. Aber dann bin ich mit 19 zu Inter Mailand, na bumm. Da sind die ganzen Stars vor dir gestanden und du denkst dir, was jetzt?

Wenn Sie jetzt zurückblicken auf diese Zeit, mit den ganzen Dummheiten in Mailand, wie sehen Sie das heute?
ARNAUTOVIC: Ich bin aus Enschede gekommen. Da, wo ich gewohnt habe, waren Kühe und Pferde. Ich habe auf dem Land gelebt. Dann fliegst ab, landest und auf einmal bist du in einer Großstadt mit Fashion Weeks, Top-Restaurants, Top-Klubs, alles mit 19. Ich habe noch keine Freundin gehabt und die Frauen waren alle wunderschön. Ja, habe ich mir gedacht, jetzt bist du da, kennst dich nicht aus. Also machen wir uns einmal schnell einen Namen. Es war komisch. Da bist du in eine Disco gegangen, auf einmal waren da fünf Kamerateams. Ich habe mir gedacht, da ist sicher einer da, der bekannt ist. Aber auf einmal kommen die zu mir. Da war ich gleich im Mittelpunkt.

Das alles ist in diesem Alter wohl nur schwer zu verarbeiten?
ARNAUTOVIC: Sicher ist es schwierig. Aber es ist für jeden das Ziel, dorthin zu kommen.

Hat Ihnen da jemand gefehlt, der Sie begleitet?
ARNAUTOVIC: Mein Bruder hat mich begleitet. Aber man konnte mich nicht stoppen. Mein Vater hätte mich auch nicht stoppen können. Ich war auf einmal auf einem Trip. Nach einem halben Jahr habe ich mir gesagt, hör zu, du bist bei Inter, du willst was erreichen. Du musst dich jetzt beweisen. Dann habe ich hervorragend trainiert und Jose Mourinho hat gemeint: „Endlich sehe ich den Spieler, den ich geholt habe.“ Er hat gesagt, er gibt mir einen Vertrag, ist aber dann weg zu Real. Ich habe dann gehört, dass der neue Inter-Trainer Rafael Benitez am ersten Tag gefragt hat, wo der Arnautovic ist, warum der nicht da ist. Er hat nicht gewusst, dass ich nur verliehen war. Ich wollte natürlich so schnell wie möglich zu einem anderen Klub. Und am ersten freien Tag bin ich nach Bremen und habe dort unterschrieben. Wenn ich gewartet hätte, wäre vielleicht alles anders verlaufen.

Seit Sie in England sind, gibt es keine Skandalgeschichten mehr. Haben Sie sich völlig verändert?
ARNAUTOVIC: Spaß gibt es schon, aber Fortgehen gar nicht mehr. Ich trainiere, gehe nach Hause, sehe meine Kinder, am Abend trinke ich mit der Frau vielleicht ein Glas Wein. Ich habe noch etwas vor mir. Ich will an die Spitze kommen – und dafür gehe ich immer ans Limit.

INTERVIEW: HUBERT GIGLER,
MICHAEL LORBER