Angeblich war es der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj selbst, der den Anpfiff verfügt hat. Und es versteht sich von selbst, dass das Datum der ersten Runde, der heutige 23. August, kein Zufall ist. Denn der Anpfiff am Tag der ukrainischen Fahne soll dem Land nach sechs Monaten des Krieges neuen Mut geben. „Sportbewerbe während des Krieges sind eine Demonstration unserer Furchtlosigkeit, unseres Vertrauens in den Sieg und unserer Bereitschaft, weiterzukämpfen“, meinte Ukraines Verbandspräsident Andrii Pawelko nach der letzten Sitzung mit Ministerien und Militärs, bei der das endgültige „Go“ gegeben wurde. Und gleich das erste Spiel hat besonderen Symbolcharakter: Um 13 Uhr Ortszeit erfolgt der Anpfiff zur Partie zwischen Metalist Charkiw, dem Team aus der zerbombten Stadt im Osten, gegen Schachtar Donezk.
Schachtar ist das Exil gewöhnt, spielt schon seit 2014 und dem Beginn der Krise samt russischer Annexion der Krim nicht mehr in Donezk. Nun spielt das ukrainische Vorzeigeteam, das auch in dieser Saison in der Champions League engagiert ist und da die Heimspiele in Polen austrägt, aber erstmals praktisch ohne Legionäre, wie auch die anderen Mannschaften. Diese haben die Ukraine zu Beginn des Krieges fluchtartig verlassen. Einer von ihnen kam auch nach Österreich: Der Brasilianer Fernando, der nun für Red Bull Salzburg spielt, war davor in der Ukraine engagiert gewesen und hatte mit Schachtar die Tabelle angeführt, als die Meisterschaft nach dem russischen Angriff hatte unterbrochen werden müssen.
Einige „Legionäre“ sind geblieben, so wie der Trainer, der Kroate Igor Jovicevic. „Lange Zeit gab es ein brasilianisches Schachtar, eine Topmannschaft. Aber nun müssen wir das vergessen und dieses neue Team so schnell wie möglich bereit machen“, meinte er.
Insgesamt vier Partien werden ausgetragen, am Tag vor dem ukrainischen Unabhängigkeitstag, der am Mittwoch exakt sechs Monate des andauernden Krieges markiert.
Unterbrechung, wenn Sirenen ertönen
Fans werden der ukrainischen Premier League nicht beiwohnen, aus Sicherheitsgründen. Gespielt wird in Stadien ganz im Westen oder der Hauptstadt Kiew, zur „Grundausstattung“ der Stadien müssen Luftschutzbunker gehören und auch die Schiedsrichter haben klare Vorgaben: Wenn die Sirenen ertönen, die vor Angriffen warnen, wird die Partie unterbrochen. Gibt es innerhalb einer Stunde Entwarnung, wird das Spiel dann sogar fortgesetzt.
Zwei Vereine der Liga sind allerdings beim Neustart nicht mehr dabei: Der FC Mariupol, der Klub aus dem „tödlichsten Platz der Ukraine“, wie es die Vereinten Nationen (UNO) beschreiben, zog seine Teilnahme zurück. Und auch Desna Tschernischiw wird nicht mehr Teil der Premier League sein – 16 Klubs blieben.
Das tut dem wahren Hintergrund des Anpfiffs aber keinen Abbruch. Fußball sei, sagte Pawelko, der populärste Sport des Landes, der einzige, der „wirklich landesweit“ gespielt werde. Deshalb sei die Wiederaufnahme der Meisterschaft ein „starkes Zeichen“: „Wir sind auf einer sozialen Mission, und wir als Liga dienen auch dazu, den Leuten Moral zu geben.“
So wie der FC Krywbas Krywyi Rih, der sich nun trotz Krieges weigert, woanders zu spielen als daheim, 40 Kilometer von der Front entfernt. „Krywbas ist das Herz und die Seele unserer Gemeinde. Und es ist wichtig, dass sie spielen. Das Leben muss weitergehen“, sagte ein Bewohner der Stadt, in der der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj geboren wurde.