Der Herzstillstand von Dänemarks Christian Eriksen beim ersten Gruppenspiel gegen Finnland war bislang der negative Höhepunkt der Europameisterschaft und wird es hoffentlich auch bleiben. Dass die Schlagzeilen nicht noch dramatischer ausgefallen sind, ist auch dem Kölner Arzt Dr. Jens Kleinefeld zu verdanken.

Der 57-Jährige führte im Vorfeld der Partie als Medical Officer eine Schulung mit dem Side-Line-Doctor-Team durch, als Eriksen zusammenbrach, saß er auf der Tribüne. "Ich habe mir erstmal nichts dabei gedacht", sagte er der Funke Mediengruppe. "Dann sah ich aber, wie der dänische Teamarzt relativ hektisch agierte."

Als Kleinefeld erkannte, dass es sich um keine normale Verletzung handle, gab er dem Side-Line-Team ein Zeichen um auf den Platz zu laufen. Auch selbst begab er sich schließlich aufs Feld, als Notarzt kenne er ernste Situationen. Als er bei Eriksen ankam, hatten die Ersthelfer bereits Vorarbeit geleistet, der Defibrillator war vorbereitet, die Elektroden am Körper des Dänen verklebt. "Dann habe ich die Leitung übernommen", sagte der Arzt.

Kleinefelds Schulung war entscheidend

"Wir haben geschockt und mit der Herzdruckmassage weitergemacht", meinte Kleinefeld weiter. "Die Schulung von mir vor der Partie war das Entscheidende." Der Teamarzt der Dänen soll zunächst Schwierigkeiten gehabt haben, die Situation vollständig zu erfassen. "Die Mannschaftsärzte behandeln ja vor allem Verletzungen aller Art, deswegen ist es für sie schwieriger, einen Herztod direkt zu erkennen. Das hat man schon gesehen, als versucht wurde, die Zunge aus dem Hals zu ziehen. Das ist natürlich Unsinn. Das rettet kein Leben."

Zwei oder drei Minuten habe es gedauert, bis der erste Schock bei Eriksen abgegeben wurde. "Da ist die Überlebenschance sehr hoch", meinte Kleinefeld. "Die Wahrscheinlichkeit zu überleben, sinkt um 10 Prozent pro Minute. Da ist Eile geboten."

Der aufatmende Applaus auf den Rängen zeigte schließlich: die Wiederbelebung war erfolgreich. "Ich fragte ihn auf Englisch: Bist du wieder da?", erinnerte sich Kleinefeld an den Moment zurück. "Er sagte: Ja, ich bin da. Und dann sagte er noch: Oh Sch..., ich bin doch gerade einmal 29 Jahre alt." Eriksen konnte schließlich bei Bewusstsein ins Krankenhaus gebracht werden, wo er sich erholte und Tests unterzog.

Eriksen bekam einen sogenannten ICD-Defibrillator eingesetzt. Das kleine Gerät ähnelt einem Herzschrittmacher und wird bei Menschen implantiert, die ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen haben. Dies bedeutet nicht, dass der 29-Jährige von Inter Mailand deshalb automatisch seine Profikarriere beenden muss. Der niederländische Nationalspieler Daley Blind oder die deutsche Stabhochspringerin Katharina Bauer betreiben damit weiterhin Leistungssport. "Bei Christian wurden verschiedene Herz-Untersuchungen durchgeführt. Danach wurde entschieden, dass er ein ICD bekommen sollte. Diese Entscheidung ist nötig, nachdem Herzrhythmusstörungen bei ihm eine Herzattacke ausgelöst hatten", wird der dänische Mannschaftsarzt Morten Boesen in der Mitteilung des Verbands zitiert. Boesen stand in den vergangenen Tagen regelmäßig in Kontakt mit den Herzspezialisten des behandelnden Krankenhauses in Kopenhagen. Auch Eriksen selbst habe dieser Behandlung bereits zugestimmt.

"Klatsch-Aktion" bei Dänemark gegen Belgien

"Ich sehe mich als Lebensretter", meinte Kleinefeld. "Vor allem durch die Schulung im Vorfeld der Ersthelfer. Es war ein schöner Moment, als Eriksen die Augen wieder geöffnet hat." Augen, mit denen Eriksen heute im TV seiner Mannschaft im zweiten Gruppenspiel gegen Belgien (18 Uhr) zuschauen wird. Auch dank Jens Kleinefeld.

Indes wurde bekannt, dass Zuschauer sowie beide Teams in diesem Match mit einer besonderen Aktion zu Ehren Eriksens aufwarten wollen. "Wir werden den Ball ins Aus kicken, um das Spiel kurz zu unterbrechen", kündigte der belgische Stürmer Romelu Lukaku am Vorabend an. In diesem Moment, der nach Medienangaben für die 10. Spielminute geplant ist, sollen alle Fans und Spieler im Parken Stadion eine Minute für Eriksen applaudieren.