Ein echter Mann muss er sein, durchtrainiert, verschwitzt, kompromisslos im Zweikampf, hart im Nehmen. Ein Weichei, eine Heulsuse, ein "Oarschwoarmer" – wie es im Fußballer-Jargon oft heißt – hat auf dem Rasen nichts verloren. Der Fußballer als Inbegriff der Männlichkeit – ein typisches Bild, das noch in den Köpfen vieler Fans herumgeistert. Homosexuelle Kicker? Gibt es nicht – zumindest nicht, wenn das Flutlicht angeht und alle Blicke auf einen gerichtet sind.

Homosexualität als Tabuthema

Schätzungen zufolge sind rund fünf Prozent der österreichischen Bevölkerung homosexuell. Rein statistisch gesehen müssten somit auch ca. 25 Profi-Spieler gleichgeschlechtliche Neigungen haben. "Ja, ich kenne homosexuelle Fußballer im Profi-Bereich", bestätigt Sportpsychologe Alois Kogler im Gespräch mit der Kleinen Zeitung DIGITAL. Geoutet hat sich bis jetzt jedoch keiner.

Das ist auch wenig verwunderlich, denn in kaum einem anderen Gesellschaftsbereich ist Homophobie – die krankhafte Abneigung gegen Schwule – so dominant wie im Fußball. "Schwul" stehe für das Schwache, Schlechte und Abstoßende, sagen Experten. Diskriminierungen auf und abseits des Platzes sind an der Tagesordnung: "Ich erkenne Schwule innerhalb von zehn Minuten und ich möchte sie nicht in meinem Team haben", sagte etwa einst Österreichs Ex-Nationalcoach Otto Baric in einem Interview - und wurde dafür von der UEFA zur Kasse gebeten. Schwule hätten nicht den nötigen Killer-Instinkt, legte der deutsche Schauspieler Claude-Oliver Rudolph erst am Mittwoch in der ARD-Sendung "Hart aber fair" nach, und deshalb im Profi-Fußball keinen Platz.

"Beim Fußball ist es ähnlich wie in der Kirche. Einen offenen Umgang mit dem Thema gibt es nicht. Das Problem ist, dass Homosexualität oft mit Unmännlichkeit verwechselt wird", erklärt Kogler, warum Homosexualität im Fußball noch immer ein Tabuthema ist. "In meiner rund 15-jährigen Karriere im Fußball als Spieler und Funktionär bin ich damit nie konfrontiert worden. Bisher ist auch noch nichts vorgefallen, es gab kein Outing. Wir beschäftigen uns deshalb auch nicht damit", gibt Gernot Zirngast, Vorsitzender der österreichischen Fußballergewerkschaft, zu. Aber wenn es soweit sei, werde man den Betroffenen natürlich unterstützen.

"Ein Outing wäre mein Tod"

Bis die Enttabuisierung von Homosexualität im Profifußball voranschreitet, ist weiter Schweigen, Tarnen und Vertuschen angesagt. Die Homosexualität wird zum unsichtbaren 12. Mann auf und abseits des Platzes: Viele Kicker leben ein perfektes Doppelleben, suchen sich eine Freundin, heiraten und bekommen Kinder – aus Angst vor dem Outing. "Irgendwann lässt sich die sexuelle Neigung nicht mehr verheimlichen. Dann zerbricht die Beziehung, die Frau lässt sich scheiden. Das Verstecken und Verdrängen ist eine enorme psychische Belastung, die im schlimmsten Fall zum Selbstmord führen kann", warnt Kogler.

"Ein Outing wäre mein Tod", wurde ein deutscher Bundesligaspieler im Fußballmagazin "Rund" zitiert. Tatsächlich sei ein unvermitteltes Outing laut Experten nicht unbedingt ratsam. Zu groß wäre die mediale Welle, die einen überrollt. Zu groß wären die Stichelein und Anfeindungen von Fans und Teamkollegen. "Die Homosexualität für sich zu behalten, ist für den Spieler wohl besser. Einem Kicker würde das Leben nach einem Outing sicher enorm schwer gemacht werden", rät Fußball-Gewerkschafter Zirngast. Ermutigende Worte klingen anders.

"Wenn nicht nur einer alleine an die Öffentlichkeit gehen, sondern man in einer Gruppe auftreten und Medienexperten heranziehen würde, wäre ein Outing natürlich leichter", ist Kogler überzeugt. Ein Outing bedeute für ihn auch nicht automatisch das Karriere-Aus: "Langfristig ist es günstiger, sich zu outen, da einfach eine riesige Last abfällt. Und wenn sich jemand traut, ist das Thema meiner Meinung nach in einem halben Jahr erledigt, weil es uninteressant wird." Für den Fußball wäre es ein wichtiges Signal - und ein Anstoß, dass schwulenfeindliche Schlachtgesänge ein für allemal in den Stadionkatakomben verhallen...