Es war sehr still im Stadion, zumindest dann, wenn nicht gerade das Programm lief, und dies erstreckte sich doch über mehr als drei Stunden. Die Eröffnung der Olympischen Spiele in Tokio ging ohne Zuschauer über die Bühne, so wie es auch bei den sportlichen Bewerben der Fall sein wird. Aber das fehlende Publikum legte sich wie eine Bleiweste über die Veranstaltung. Der Vorgeschmack war von leichter Bitterkeit gekennzeichnet, auch wenn sich die Darsteller alle Mühe gaben, dem Schauspiel die angemessene Würde und Erhabenheit zu verleihen.

Die Teilnehmer versuchten, dem Fernsehvolk in aller Welt einen Ausschnitt der japanischen (Gegenwarts)-Kultur zu vermitteln. Und dann marschierten die Protagonisten der kommenden 15 Tage ins Stadion ein, rund 6000 Athletinnen und Athleten aus 205 Nationen, das dauert natürlich. Die österreichische Delegation kam als Nummer 37 an die Reihe, fein säuberlich geordnet nach der japanischen Sprache. Das Segelduo Tanja Frank und Thomas Zajac, Bronzemedaillengewinner von Rio 2016, hielt die rot-weiß-rote Fahne hoch.

Erstmals waren je eine Sportlerin und ein Sportler für dieses Zeremoniell vorgesehen. Nicht alle hielten sich daran. Rund ein Dutzend Länder war männlich orientiert, sechs Nationen bevorzugten die rein weibliche Version. Bis auf die Abordnung aus Tadschikistan hielten sich alle an die Maskenpflicht. Und der Fahnenträger aus Tonga enttäuschte seine Fans nicht. Pita Taufatofua kam eingeölt ins Stadion. Besondere Beachtung verdient das Flüchtlingsteam, angeführt von der syrischen Schwimmerin Yusra Mardini. Den Schlusspunkt des Einmarsches gestalteten, wie es die Tradition gebietet, die Gastgeber, also die Japaner.

Der Enkel hat eröffnet

Um 23.13 Uhr Ortszeit (16.13 Uhr MESZ) erklärte Kaiser Naruhito die XXXII. Olympischen Spiele für eröffnet, bei der ersten Tokioter Auflage 1964 war diese Aufgabe noch für seinen Großvater Hirohito bestimmt gewesen. Protokollgerecht durfte sodann die japanische Tennisgöttin Naomi Osaka, die Nummer zwei der Welt, auf einem Fuji-Modell das Olympische Feuer entzünden.

Draußen begab sich, was Offizielle und Schönredner nicht so gern haben. Rund 1000 Menschen hatten sich vor dem Stadion versammelt und demonstrierten lautstark gegen die Spiele. Sie agierten auf diese Weise aktiv als Repräsentanten des japanischen Volkes, das dem Großereignis skeptisch bis ablehnend gegenübersteht.

Asien ist in bei Olympia. Tokio folgt auf Pyeongchang (2018), und schon im Winter 2022 kommt Peking an die Reihe. Wesentlich früher droht ein Taifun die japanische Küste zu erreichen, schon für Montag ist die Naturgewalt angekündigt, sie könnte die Spiele treffen (siehe Seite 69). Hoffentlich war die Freitags-Stille im olympischen Stadion nicht die Ruhe vor dem großen Sturm.