Die Waliser haben es heute wirklich nicht leicht. Zum einen aus sportlicher Sicht. Das Team von Robert Page geht als Außenseiter ins Achtelfinale. Zum anderen aber auch emotional. Mit Dänemark steht heute eine Mannschaft auf dem Feld, der die ganze Welt jeden nur erdenklichen Erfolg gönnen würde. So präsent sind die Bilder von Christian Eriksen noch, der im Auftaktspiel Dänemarks bei der Euro gegen Finnland einen Herzstillstand erlitt und vor den Augen von Millionen ins Leben zurückgeholt wurde.

Das wenige Stunden nach den dramatischen Szenen wieder angepfiffene Spiel ging mit 0:1 verloren. In Runde zwei gab es gegen Belgien trotz erneut aufopfernder Leistung ebenfalls keine Punkte. Ein auch mithilfe der furiosen rot-weißen Unterstützung in Kopenhagen eingefahrener „Dreier“ gegen Russland am letzten Spieltag reichte für den Aufstieg unter Freudentränen – und um weiterhin am eigenen Euro-Märchen schreiben zu können. „Es war eine wilde Reise bis hierhin, aber es fühlt sich richtig gut an, weitergekommen zu sein", sagt Offensivspieler Kasper Dolberg.

Großen Anteil am Erfolg hat Trainer Kasper Hjulmand, der seine Mannschaft auch als eine Art Psychologe durch diese Krise begleitet und wieder aufgerichtet hat. „Seine Qualitäten als Mensch und als Trainer gehen Hand in Hand. Er ist voller Emotionen, ist sehr ehrlich und du kannst immer zu ihm gehen“, sagt Mittelfeldspieler Thomas Delaney. Es sei gerade in dieser Zeit enorm wichtig gewesen, jemanden als Trainer zu haben, der das Team auf diese Art und Weise führt.

Hjulmand, der bei seiner bisher einzigen Auslandsstation in Mainz vorzeitig entlassen wurde, ist bei einem Aufstieg auf dem besten Weg, zum dänischen Nationalhelden zu werden. „Im Moment habe ich den besten Job der Welt. Ich liebe es, hier zu sein. Ich liebe diese Spieler. Wir sind zuletzt noch enger zusammengewachsen“, erzählt der 49-Jährige.

Auch für Hjulmands Gegenüber Page waren die Voraussetzungen für die Euro nicht die Besten. Wenn auch aus anderen Gründen. Als Assistenztrainer von Ryan Giggs wurde Page erst durch die Verhaftung des ehemaligen Superstars von Manchester United Ende des Jahres zum Cheftrainer. Der 47-Jährige soll eine frühere Freundin angegriffen haben. Ein Gerichtsverfahren wegen häuslicher Gewalt bzw. Körperverletzung ist für Anfang des kommenden Jahres anberaumt. Der 13-fache englische Meister bestreitet die Anschuldigungen.

Mindestens bis zur Klärung der schwerwiegenden Vorwürfe ist Page der Chef. Giggs und er sind befreundet, stehen weiterhin in Kontakt und sprechen natürlich viel über die Mannschaft. Das taktische und personelle Konstrukt steht zum Großteil wie unter Giggs. Page bringt noch einen Tick mehr Emotion und Nationalstolz in die Kabine. Und der 46-Jährige scheint bei seinen Superstars Gareth Bale und Aaron Ramsey damit den richtigen Ton zu treffen. Page hat sich mit seiner beständigen Arbeit über den Status als Befehlsempfänger des abwesenden Giggs hinausgearbeitet. Die Emotionen werden heute aufeinanderprallen.

Christian Eriksen wird dieses Spektakel heute von daheim aus verfolgen, wo er die Zeit mit seiner Familie verbringt. Der Spieler von Inter Mailand hat das Krankenhaus nach einer erfolgreichen Operation sechs Tage nach seinem Zusammenbruch wieder verlassen können. Auch heute werden wieder Transparente zu Ehren des 29-Jährigen in der Johan Cruijff Arena in Amsterdam hängen, wo Eriksen von 2009 bis 2013 aktiv war. 4000 Dänen haben ihre Reise in die Niederlande angekündigt. Die Waliser müssen auf Unterstützung vor Ort verzichten. Die restriktiven Bestimmungen verhindern die meisten Fan-Reisen.