Nachdem Sie jetzt zwei Mal drüber schlafen konnten, wie fühlt sich der zweite Gesamtweltcupsieg in Ihrer Karriere an?
STEFAN KRAFT: Geschlafen habe ich wirklich viel, nämlich 13 Stunden (lacht). Nach der Absage in Trondheim sind wir am nächsten Tag um 6 Uhr weggeflogen, da haben wir die Nacht gleich durchgemacht. Ich freue mich auf alle Fälle riesig. Wenn ich aber am Montag die Kugel bekomme, wird es schon noch einmal ein ganz eigenes und besonderes Gefühl sein.

Welche große Kugel hat für Sie mehr Gewicht – die erste, die Sie 2016/17 erobern konnten, oder die zweite?
Beide sind etwas ganz Besonderes, wobei das schnelle Saison-Aus jetzt doch ein wenig überraschend kam. Bei der ersten Kugel war es vom ersten bis zum letzten Springen nicht fix, dass ich sie bekomme. Heuer konnte ich schon eher damit rechnen, auch wenn es seit der Vierschanzentournee ein harter Kampf mit dem Karli (Anm.: Geiger) war.

Nachdem die heimischen Skifahrer heuer ausgelassen haben, sind Sie als „Retter der Nation“ mit Ihrem Gesamtweltcup eingesprungen.
Wir verfolgen den Skiweltcup natürlich auch immer und es ist total schade, dass es bei ihnen heuer nicht so geklappt hat. Immerhin bekommen wir von den Skifahrern und ihrem Know- how viel Unterstützung. Und allgemein denke ich, dass diese Kugel dem ÖSV sicher guttut.

Mit diesem Triumph und der Tatsache, dass Marcel Hirscher seine Karriere beendet hat, könnte es heuer auch endlich mit dem „Sportler des Jahres“ klappen. Wäre Ihnen das wichtig?
Auf alle Fälle. Es wäre eine tolle Sache, könnte ich mit all den coolen Sportlern, die das in Österreich bereits geschafft haben, auf einer Stufe stehen.

Mit zwei Gesamtweltcupsiegen stehen Sie jetzt auch auf einer Stufe mit Thomas Morgenstern und Gregor Schlierenzauer.
Das ist schon eine tolle Sache. Es ist mir jetzt erst einmal bewusst geworden, dass ich schon mehr Weltcupsiege als der „Goldi“ habe. Und auf den „Morgi“ fehlen mir auch nicht mehr viel. Das taugt mir, immerhin waren sie stets meine großen Idole und auch der Grund, warum ich überhaupt mit dem Skispringen angefangen habe.

Die Saison war heuer von vielen Verletzungen geprägt, zuletzt erwischte es den Deutschen Stephan Leyhe mit einem Kreuzbandriss. Muss sich die FIS in Sachen Material für die kommende Saison etwas überlegen?
Teils, teils. Ich muss sagen, dass bei uns keiner mit so brutalen Wadenkeilen springt. Unsere sind nicht so dick und und breit und daher kann man mit ihnen auch viel besser landen. Die breiteren Keile sind beim Springen zwar in der Luft von Vorteil, doch drücken sie einen bei der Landung dann mehr nach vorne und daher kommt es auch zu den Verletzungen. Außerdem muss ich sagen, dass ich außer unserer Mannschaft und den Polen auf den diversen Weltcupstationen nie einen Athleten in der Kraftkammer sehe. Ich selbst mache zumindest zwei Mal in der Woche meine Einheiten. Das ist extrem wichtig und stabilisierend – vor allem, weil wir eh alle so dünn sind. Wenn die FIS möglicherweise etwas ändern sollte, dann wäre das die Reglementierung der Keile.

Das Coronavirus hat die gesamte Welt im Griff. Wie gehen Sie damit um, verspüren Sie Angst?
Ganz so locker wie am Anfang sehe ich es nicht mehr. Und ich habe auch noch nie so viel Hände gewaschen und desinfiziert wie in den letzten Tagen. Wir sind wegen des Virus auch so früh aus Norwegen abgeflogen, weil wir nicht wussten, ob wir überhaupt noch in Österreich einreisen können. Prinzipiell achte ich in diesen Tagen natürlich mehr auf meine Gesundheit, aber Hamsterkäufe mache ich jetzt keine.

Normalerweise heben die Wintersportler nach einer Saison in den wohlverdienten Urlaub ab. Das fällt heuer wohl flach. Was sind Ihre Alternativen?
Ganz habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Wir haben einen Urlaub in den USA und in der Karibik geplant. Abflug wäre einen Tag, nachdem das Einreiseverbot in den USA wieder aufgehoben werden sollte. Vielleicht klappt es ja noch. Wenn nicht, gibt es genügend Alternativen. Am Sonntag möchte ich nochmals Skifahren gehen, danach geht das ja auch nicht mehr. Aber dann werde ich noch ein paar Skitouren machen – dafür braucht man ja keinen Lift.

Sie haben vor drei Jahren gesagt, dass Sie ein Studium in Richtung Sport und Ernährung machen wollen. Haben Sie dieses Projekt bereits gestartet?
Nein, leider noch nicht. Mit dem gesamten Weltcup ist man schon sehr eingeschränkt und es bleibt kaum Zeit für anderes. Jetzt ist das aufgrund der aktuellen Situation etwas anders und ich werde mir auch die Zeit nehmen, um mich einmal im Internet schlauzumachen, wann ich mit welchem Studium starten kann.