Nur fünf Mannschaften spielen seit 1995 durchgehend in der italienischen Serie A: die beiden Mailänder Klubs Inter und AC, die beiden römischen Klubs AS und Lazio – und Udinese Calcio. Für den Verein aus dem Norden wackelt die Zugehörigkeit zur italienischen Creme de la creme aber ordentlich. Drei Runden vor Schluss liegen die „Bianconeri“ auf einem Abstiegsplatz. „Ich kann mich nicht erinnern, wann wir in den letzten zehn, 15 Jahren derart schlecht dagestanden sind“, ärgert sich Toni Achatz, Obmann des „Udinese Club Carinzia“. Der Fanklub mit Sitz in Feistritz an der Gail ist seit Mitte der 90er-Jahre Stammgast im Stadio Friuli. Mit natürlich anschließender Grillerei am Parkplatz des Stadions, gemeinsam mit einer Tausendschaft von weiteren Fans der Schwarz-Weißen. „Das gehört doch dazu, egal an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit“, schmunzelt Achatz mit Blick auf das Montagabend-Heimspiel gegen Napoli. „Wir kamen erst gegen halb zwei Uhr früh zu Hause an.“

Alles selbst in der Hand

Mit einer Stimmungslage, die zwischen Ernüchterung und Hoffnung schwankt. Lange sah es gegen den Meister aus dem Süden nach einer Niederlage aus, erst in der Nachspielzeit glich Isaac Success mit einem Rechtsschuss zum 1:1 aus. „Heuer haben wir schon viele Tore in der Nachspielzeit kassiert, dieses Mal war es zum Glück umgekehrt.“ Der Punkt kann in der Endabrechnung noch Goldes wert sein. In den drei ausstehenden Spielen geht es gegen drei direkte Konkurrenten: in Lecce (13.), daheim gegen Empoli (17.) und zum Abschluss in Frosinone (16.). „Das Gute daran“, orakelt Achatz. „Wir haben es in der eigenen Hand. Hast du das nicht, bist du in Italien verloren“, verweist Achatz auf den 1:0-Sieg des Tabellen-19. Sassuolo gegen Meister Inter Mailand.

Lovric vor Comeback

Vielleicht noch nicht gegen Lecce, aber eventuell gegen Empoli könnte Sandi Lovric sein Comeback feiern. Der gebürtige Osttiroler zählt nach seinem Wechsel von Lugano im Sommer 2022 zum Stammpersonal der Norditaliener. Von bisher 35 möglichen Spielen absolvierte der 26-Jährige 29. Einmal fehlte er wegen einer Rotsperrre, fünfmal wegen einer Verletzung. „Noch zwickt die Oberschenkelrückseite etwas, wahrscheinlich kann ich aber Anfang nächster Woche wieder ins Mannschaftstraining einsteigen“, hofft Lovric auf Spielzeit im Saisonfinale. Seine persönlichen Leistung sieht er ähnlich wie jenes des Klubs: „durchwachsen, könnte besser sein“. Ein Tor erzielte Lovric, der als „Achter im zentralen Mittelfeld fungiert, zu drei weiteren leistete er die Vorarbeit. Vielleicht klappt es noch mit weiteren Einträgen im Scoring Board? „Wichtig ist nur, dass wir oben bleiben. In den nächsten Duellen wird derjenige bestehen, der bereit ist, mehr Risiko zu nehmen, mutiger zu spielen.“

Der Osttiroler Sandi Lovric könnte bald sein Comeback feiern
Der Osttiroler Sandi Lovric könnte bald sein Comeback feiern © AP

Das nötige Selbstvertrauen soll der Mannschaft ein neuer Trainer einimpfen: Fabio Cannavaro, 2006 Weltmeister mit Italien und – als bislang einziger Verteidiger – Weltfußballer des Jahres. Die großen Erfolge als Trainer in Europa stehen noch aus. Der 50-Jährige blickt zurück auf Stationen in Saudi Arabien und China (2019 Meister mit Guangzhou). Im September 2022 übernahm er in der italienischen Serie B Benevento, musste dort im Februar 2023 am vorletzten Tabellenplatz gehen. Ein Jahr später, im April 2024, signierte er in Udine. „Er steht mit uns am Platz, man merkt, dass er den Fußball spielt, denkt und spürt. Er ist eine große Persönlichkeit“, schildert Lovric die Eindrücke aus der Innensicht. Und wie nimmt die Fankurve den Trainer-Neuzugang wahr? „Sehr positiv“, sagt Achatz. „Er lässt mit zwei Stürmern spielen. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die uns mit ihrer Spielweise in die Bredouille gebracht haben.“

Fabio Cannavaro ist seit 23. April neuer Trainer bei Udinese
Fabio Cannavaro ist seit 23. April neuer Trainer bei Udinese © IMAGO

Der alte und der junge Pozzo

Wie überhaupt die Kaderzusammenstellung Hauptthema bei Klub und Fans ist. Seit 1986 steht Udinese im Eigentum der Familie Pozzo, die ebenso den FC Watford (England) besitzt. Udinese gilt seither als Verein, der Spieler günstig verpflichtet, entwickelt und um gutes Geld weiterverkauft. 40 bis 50 Transfervorgänge pro Saison sind keine Seltenheit. Für den „alten Pozzo“, wie der 82-jährige Giampolo liebevoll genannt wird, war Udinese eine Herzensangelegenheit. Im Gegensatz zu Gianni, dem in England lebenden „jungen Pozzo“, für den Udinese und Watford nur Investments darstellen. „Er sieht immer nur das Geld“, vertritt Achatz die Meinung vieler Fans. „Irgendwann geht der Schuss nach hinten los. Wie bei Watford, die aus der Premier League abgestiegen sind, in der Championship auch nur auf Rang 15 liegen.“ Und wie bei Udinese? „Nein“, sagt Achatz voller Überzeugung. „Wir bleiben oben!“