Der Wolf scheidet in Österreich nach wie vor die Geister: Die Palette reicht von einer Null-Toleranz-Politik und (gewünschten) Abschüssen hin zu einer möglichst friedlichen Koexistenz mit dem zurückgekehrten Beutegreifer - und vielen Facetten dazwischen. Und auch Argumente gibt es auf allen Seiten. Naturgemäß sind es vor allem Landwirte, die sich um ihre Tiere sorgen und den Wolf im Land am ehesten dann dulden, wenn er möglichst weit weg ist.

Rund 280 gerissene Tiere wurden im Vorjahr gemeldet und damit noch einmal mehr als im Jahr 2019. Und Österreich müsse sich laut dem Wolf-Experten Christian Pichler (WWF) allenfalls auf eine wachsende Wolfspopulation einstellen. Heuer gab es schon 27 Sichtungen. Etwa 40 Wölfe dürften sich aktuell im Bundesgebiet aufhalten.

40 Wölfe in Österreich

Bis zum 17. Mai gab es in sieben Bundesländern mehrere Wolfsnachweise, so Pichler. Jeweils sechs Tiere wurden in Tirol und Niederösterreich entdeckt, vier in Salzburg, drei jeweils in Vorarlberg, der Steiermark und Oberösterreich und in Kärnten gab es zwei Sichtungen. Oft waren es nur einzelne Individuen, aber in Gutenbrunn und am Truppenübungsplatz Allentsteig in Niederösterreich gäbe es jeweils ein Paar, das vielleicht für Nachwuchs sorgen könnte.

Weil die Populationen in unsern Nachbarländern teils noch deutlich größer sind, ist ein verstärkter Zuzug mehr als wahrscheinlich. In der Schweiz, in Italien und Slowenien weiß man von rund 100 Individuen. In Deutschland und Frankreich gibt es sogar 128 beziehungsweise 100 Rudel und jeweils über 500 Wölfe.

Viel Luft nach oben beim Herdenschutz 

Vergleichsweise dürftig sei es nach wie vor um den Herdenschutz bestellt. Werde nicht schnell nachgebessert, dürfe man sich nicht über weitere Übergriffe wundern, wenn die Herden nun wieder auf Weiden und Almen getrieben werden. Neben Weidezäunen müsse auch das Hirtentum wiederbelebt werden, um den Konflikt zwischen Mensch und Wolf nicht zu verschärfen.

Keine Perspektive für Hirten in Österreich

Weil Hirten in Österreich aber aktuell keine wirtschaftliche Perspektive haben, arbeiten diese lieber im Ausland. Zum Beispiel in der Schweiz, die mit der Wolf-Frage viel besser umgeht als hierzulande. Das behauptet auch der Vorarlberger Schafbauer Herbert Strolz, der meint: "Das einzige, was in der Schweiz Probleme machte, waren die hitzigen Diskussionen." Auch er spricht sich für mehr Hirten und Hirtenhunde zum Herdenschutz aus. Gut 8000 Schafe sterben jedes Jahr an Krankheiten und Verletzungen - auch hier könnten Hirten deutlich geringere Ausfälle bewirken.

Die Wölfe zu vertreiben oder abzuschießen ist jedenfalls keine Alternative, denn sie sind nicht nur streng geschützt, sondern auch gut für die Natur. Pichler bezeichnete die Tiere als Gesundheitspolizei, sie hinterlassen Nahrungsreste für andere wichtige Arten und sorgen mit der Eindämmung von Reh und Co. auch dafür, dass die Pflanzenvielfalt in unseren Wäldern wieder zunehmen kann. 

Schutz senken und vereinheitlichen

Der strenge Schutz des Wolfes ist anderen wiederum ein Dorn im Auge. So strebt etwa die Tiroler Landesregierung eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof an. Dabei gehe es um die Gleichbehandlung Österreichs gegenüber anderen Staaten, in denen der Wolf einen geringeren Schutzstatus genieße. Etwa in Finnland, Polen oder Griechenland wäre die Entnahme eines Wolfes leichter, erklärt LH-Stellvertreter Josef Geisler (ÖVP). Eine etwaige Klage müsse natürlich sehr gut mit Gutachten untermauert werden.

Laut Christa Entstrasser-Müller aus den Büro Geisler wurde das Anliegen Covid-bedingt bisher nicht priorisiert behandelt. Man suche jedenfalls den Dialog, bevor man weitere Schritte setze. "Wir würden uns eine EU-weit einheitliche Betrachtung der Situation wünschen", meint sie. "Unsere Abgeordneten sind dran."

Zudem soll über den europäischen Bauernverband eine EU-weite Bürgerinitiative gestartet werden. Gespräche diesbezüglich würden bereits laufen. Aus sieben EU-Ländern benötige es dafür aktive Unterstützer und insgesamt eine Million Unterschriften - in jedem Land eine vorgeschriebene Mindestanzahl. In Österreich wären 13.395 Unterstützungserklärungen notwendig. Werden die nötigen Unterschriften erreicht, müsste sie zumindest von der EU-Kommission und dem EU-Parlament behandelt werden.