Die am dringendsten erwartete Entscheidung des EU-Gipfels vor zwei Wochen wurde auf Dienstag vertagt: Im Zuge eines Ratstreffens per Video sollen sich am Nachmittag die EU-Finanzminister auf ein Instrument einigen, das die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise abfedern kann. Wieder einmal bricht ein Graben innerhalb der EU auf, weil ein ganz konkreter Vorschlag – die „Coronabonds“ – umstritten ist. Einfach ausgedrückt: Die reicheren Länder, darunter Österreich und Deutschland, wollen sich darauf nicht einlassen, weil sie in Sorge sind, auch für die früheren Versäumnisse verschuldeter Länder geradestehen zu müssen.

Ein typischer Fall ist Italien: Das Land steht hoch in der Kreide und musste sein Budget schon bisher mehrmals auf EU-Vorgaben nachjustieren. Der italienische Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni und sein französischer Kollege Thierry Breton (Binnenmarkt) plädierten gestern neuerlich für die Bonds – ein Kommissionssprecher wies danach eigens darauf hin, dass es einen offiziellen Standpunkt der Kommission noch nicht gebe. Zwischen Italien und anderen EU-Ländern, vor allem Deutschland, war es in den letzten Tagen zu gegenseitigen Vorwürfen gekommen. Man erinnerte beiderseits an längst vergangene Zeiten. Italienische Politiker zitierten das Londoner Schuldenabkommen von 1953, als 21 Länder Deutschlands Schulden halbiert und den Rest gestundet hätten; Deutschland habe damals Solidarität erfahren und könne das nun zurückgeben.

Deutschland hat sich indessen überraschend mit Frankreich auf ein Drei-Säulen-Modell geeinigt, das am Dienstag eingebracht wird und ohne Bonds auskommt. Man will den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM nutzen, dazu einen Garantiefonds der Europäischen Investitionsbank (EIB) und „Sure“, eine neue Maßnahme der Kommission.

Italien als drittgrößte Volkswirtschaft in der EU ist von so zentraler Bedeutung, dass man es im Grunde gar nicht fallen lassen kann – es würde ganz Europa mitreißen. Die Dreier-Lösung hat mehr Chancen auf Umsetzung als Bonds, auch weil sie schneller geht.

Es ist jedenfalls ein Wettlauf mit der Zeit, nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen: Die Anti-EU-Stimmung in Italien ist inzwischen viel deutlicher als zuvor, die Wut auf Deutschland nimmt zu. Als China, Russland und sogar Kuba Hilfe nach Italien schickten, fiel Deutschland vor allem dadurch auf, dass es Schutzmasken an der Grenze blockierte. Die EU muss jetzt rasch Hilfe leisten – sonst reiben sich die Rechtspopulisten nicht nur in Italien die Hände.