Was passiert, wenn die britische Premierministerin Theresa May und ihre Regierung stürzt, oder wenn ihr Brexit-Vertrag im Parlament in London keine Zustimmung erhält?

Die Parlaments-Mehrheit in London gilt vor dem Hintergrund des politischen Bebens in London nicht als gesichert. Auf diese Szenarien stellt sich die EU nach der Regierungskrise in Großbritannien infolge des Deals immer stärker ein:

HARTER BREXIT

Mit dem 585 Seiten langen Scheidungsvertrag zwischen der EU und Großbritannien sollten wichtige Bereiche für die Zeit danach geregelt werden, etwa die Rechte der Bürger auf beiden Seiten des Ärmelkanals, die Finanzschulden Londons bei der EU - rund 45 Milliarden Euro - und eine Grenzregelung zwischen Irland und Nordirland, die die Wiedereinführung von Kontrollen vermeidet.

Kommt es zu keinem Scheidungsvertrag und werden die Verhandlungen bis zum Austrittsdatum 29. März 2019 nicht verlängert, kommt es zum "harten Brexit" mit ungewissen Folgen für die Wirtschaft und die Bürger. Dann müssten an der Grenze - auch in Irland - Zollkontrollen durchgeführt, Slots für den Flugverkehr ausverhandelt und die Aufenthaltsrechte von Briten in der EU koordiniert in jenem Mitgliedsland geregelt werden.

WEITER VERHANDELN

Die Zeit für EU-Austrittsverhandlungen ist laut Artikel 50 des EU-Vertrags auf zwei Jahre befristet. Weil Großbritannien sein Austrittsgesuch Ende März 2017 - also erst neun Monate nach den Brexit - gestellt hat, ergibt sich daraus der EU-Austrittstermin 29. März 2019. Die Frist kann aber einstimmig von den 27 EU-Staaten und Großbritannien verlängert werden. Dann würde Großbritannien Ende März nicht austreten, sondern weiter vollwertiges Mitglied der EU bleiben. Das Problem dabei: Die Briten müssten auch bei der Europawahl Ende Mai mitmachen - für die Brexiteers in Großbritannien ist eine länger andauernde EU-Mitgliedschaft eine undenkbare Vorstellung.

Dauert die Verhandlungsperiode weiter an, heißt dies noch nicht, dass der Vertrag automatisch geändert würde. Es wäre zunächst einmal mehr Zeit gewonnen, um einen "harten Brexit" abzuwenden.

ZWEITES REFERENDUM

Ein zweites Referendum war von oppositionellen Labour-Vertretern wie Ex-Außenminister David Miliband und den Ex-Premierministers Tony Blair und Gordon Brown, aber auch von dem einflussreichen Londoner Bürgermeister Sadiq Khan ins Gespräch gebracht worden. Auch EU-Politiker wie Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez und Maltas Regierungschef Joseph Muscat hatten dafür plädiert. EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionschef Jean-Claude Juncker haben Großbritannien ganz allgemein einen weiteren Verbleib in der EU angeboten. May und ihre Regierung haben dagegen eine zweite Brexit-Volksabstimmung mehrfach ausgeschlossen.

Ein solches Referendum wäre dann mit der Frage gekoppelt, ob das vorliegende Brexit-Abkommen gebilligt werden soll. Es könnte auch etwas später zu einem zweiten Referendum kommen, nachdem die zweijährige Verhandlungsperiode verlängert wurde. Dies liegt alles in Händen der britischen Regierung, nicht in jenen der EU. Beim Brexit-Referendum von 2016 hatte sich die EU ja in der Kampagne bewusst zurückgehalten.

Einer Umfrage von Anfang November zufolge würde eine deutliche Mehrheit für einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union stimmen. 54 Prozent der Befragten sprachen sich in einer Erhebung des Survation-Instituts für den Fernsehsender Channel 4 dafür aus, dass der Brexit abgeblasen wird. Lediglich 46 Prozent waren der Meinung, dass Großbritannien, wie beim Referendum vor zwei Jahren beschlossen, die EU verlassen soll.