Giuseppe F. versteckte sich hinter den Büschen. Ein paar Feuerzeuge hatte der 53-Jährige in den Hosentaschen, seine Finger waren noch schwarz vom Ruß. Acht Brände soll der Mann aus der Nähe von Alghero auf Sardinien seit vergangenem Sommer gelegt haben. Vor Tagen ging er den Carabinieri schließlich in die Falle. Immer wieder hatte er offenbar versucht, einen Pinienwald in Brand zu stecken.

Nun sitzt er in Untersuchungshaft, ihm drohen vier bis zehn Jahre Haft. Menschen wie Giuseppe F. sind verantwortlich für die Dutzenden Waldbrände in Italien. Immer noch wüten die Feuer, derzeit vor allem auf Sizilien bei Palermo. Temperaturen über 40 Grad, extreme Trockenheit und starker Wind spielen den Brandstiftern in die Hände.

Seit dem 15. Juni zählte die italienische Feuerwehr gut 37.000 Einsätze zum Löschen von Wald- und Weidebränden. Die Einsätze sind um 16.000 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Alleine auf Sardinien brannten vergangene Woche 20.000 Hektar Wald ab. Nach Angaben der Carabinieri sind nur zwei Prozent aller Waldbrände in Italien natürlicher Ursache, also etwa von einem Blitzeinschlag ausgelöst. Den Rest, also 98 Prozent, besorgt der Mensch.

Waldbrand in Pescara
Waldbrand in Pescara © AP

„Wir hatten es mit einem systematischen Angriff zu tun mit Dutzenden Brandherden und man darf nicht denken, es handelt sich um natürliche Ursachen“, sagte vor Tagen Marco Marsilio, Gouverneur der Abruzzen. 57 Prozent, also knapp Zweidrittel der Waldbrände in Italien sind vorsätzlich gelegt. Bei etwa einem Drittel handelt es sich um unvorhergesehene Brände, etwa weil ein Landwirt Kleinholz oder Laub verbrennt und das Feuer außer Kontrolle gerät. An diesem Mittwoch erstattete die Polizei Anzeige gegen einen 64 Jahre alten Olivenbauern bei Ortona in den Abruzzen. Sein Strohfeuer hatte sich zu einem Großbrand ausgeweitet, der Mann war nicht vorsichtig genug.

Im Visier

Im Visier der Ermittler sind aber nicht nur pathologische Pyromanen oder unvorsichtige Bauern, sondern auch die Organisierte Kriminalität. Waldbrände werden gelegt als Mittel zur Erpressung, als Rache, aus wirtschaftlichem Interesse oder schlicht zur Machtdemonstration. „Der Appetit der ‘Ndrangheta auf Wald- und Weideflächen ist bekannt“, sagt Enrico Fontana, Verantwortlicher des Observatoriums für Umwelt und Legalität der Umweltorganisation Legambiente.

Die ‘Ndrangheta ist die Mafia Kalabriens, eine der mächtigsten Verbrecherorganisationen der Welt. Zwischen Mafia-Präsenz und Waldbränden gibt es laut Legambiente auch eine statistische Verbindung. 55 Prozent der vorsätzlich gelegten Waldbrände kommen in den vier süditalienischen Regionen mit der höchsten Präsenz krimineller Organisationen vor, Kalabrien, Kampanien, Sizilien und Apulien. In diesen Gegenden befinden sich auch 82 Prozent der beschädigten Flächen. Was aber sind die Interessen der Organisierten Kriminalität?

Keine Umwidmungen mehr

Früher konnten verbrannte Flächen als Baugrund genutzt werden, diese Umwidmung eines Wald- oder Weidebrand-Gebietes wird seit dem Jahr 2000 von einem Gesetz für die Dauer von 15 Jahren verboten. Seither legt die Mafia dort Feuer, wo sie Immobiliengeschäfte anderer verhindern will.

Dem Mafia-Experten und Bestseller-Autor Roberto Saviano zufolge hat sich folgende Dynamik durchgesetzt: „Die Clans legen Feuer, um eine Fläche zu blockieren, die demnächst als Baugrund ausgewiesen werden soll.“ Ein Brand kann ein Immobilienprojekt schließlich für 15 Jahre stoppen. Wer bauen will, muss sich zuvor mit den Clans einigen. „Es handelt sich also um eine Machtdemonstration, dass ohne die Clans nichts geht“, sagt Saviano.

Entscheidend ist bei diesem Vorgehen die Einstufung des verbrannten Areals als Weide- oder Waldfläche. Für als Landwirtschaftsflächen eingestufte Areale gilt das nicht. Auch sie werden abgefackelt und dann als Baugrund ausgewiesen. Manchmal richten die Clans auf abgebrannten Flächen illegale Mülldeponien ein.

Aber auch andere Gründe spielen eine Rolle. So steht in manchen Regionen die Zahl der Brände in direktem Zusammenhang mit der Einstellung von Saisonarbeitern zur Waldpflege und Kontrolle. Je mehr Feuer, desto mehr Beschäftigte, so die Gleichung. Immer wieder kommt es deshalb vor, dass diejenigen, die die Waldbrände verhindern oder löschen sollen, sich zuvor als Brandstifter betätigten.