War die Bestellung des freiheitlichen Bezirksrates Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria ganz normaler Postenschacher, wie er schon hundertfach in diversen Regierungskonstellationen vorgekommen ist – oder beinharte Korruption?

„Einiges an der Sidlos Karriere ist typisch für Österreich, einiges aber auch ungewöhnlich“, sagt dazu der Wiener Politikwissenschaftler Laurenz Ennser-Jedenastik, der parteipolitische Postenbesetzungen über Jahrzehnte hinweg erforscht hat. Typisch sei der Aufstieg des damals 45-Jährigen in den Vorstand des teilstaatlichen Glücksspielkonzerns insofern, als im Windschatten des Einzugs einer neuen Partei in eine Regierung durchaus üblich sei, dass ihr nahestehendes Personal in diverse Posten vorrücke. Zwar sei vergleichsweise selten, dass es dabei nicht nur um Aufsichtsratsjobs gehe, sondern tatsächlich um einen Vorstandsposten. Die ungewöhnlichste Komponente an Sidlos Berufung sei aber, „dass selbst für Laien eine gewisse Qualifikationslücke augenscheinlich war“, sagt Ennser-Jedenastik.

Anders gesagt: Sidlo war nach Einschätzung eines mit der Auswahl betrauten Personalberaters an sich nicht geeignet für die Funktion als Finanzvorstand des 300-Millionen-Euro Betriebs. Auch der ÖVP-nahe Casinos-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner notierte sich anlässlich der Besetzung, es müsse „irgendeinen Hintergrunddeal“ geben, der zu Sidlos Nominierung geführt habe.

Was damals genau passiert ist, wird heute und morgen den Ibiza-Untersuchungsausschuss beschäftigen: er vernimmt neben Sidlo selbst auch den ehemaligen FPÖ-Finanzstaatsekretär Hubert Fuchs, den ehemaligen Leiter der Novomatic-Konzernkommunikation Bernhard K. sowie den nunmehrigen FPÖ-Chef Norbert Hofer.

Im Zentrum der Befragungen wird dabei stehen, ob Sidlo „nur“ ein politischer Deal zwischen ÖVP und FPÖ war – oder ob es darüber hinaus noch weitere Abreden gab, etwa mit dem niederösterreichischen Glücksspielkonzern Novomatic, der exzellent mit der Politik vernetzt ist. Novomatic – als Casinos-Minderheitseigentümer – war es, die Sidlo für seinen Job formal nominiert hatte. Die Opposition vermutet, dass Mitglieder der türkis-blauen Koalition dem Konzern im Gegenzug politische Gefälligkeiten in Aussicht gestellt haben könnten – etwa Entgegenkommen bei der Liberalisierung des Glücksspiels oder diversen Lizenzen. Alle Akteure – vom damaligen Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) über Fuchs bis zu Sidlo und Novomatic selbst – bestreiten das.

Rund um die ganze Angelegenheit laufen mehrere Gerichtsverfahren: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt, unter anderem wegen Untreue. Sidlo selbst, Ende 2019 vom Aufsichtsrat aus dem Vorstand abberufen, klagt die Casinos auf Schadenersatz. Und auch die Eigentümerstruktur der Casinos hat sich infolge der Causa verschoben: Novomatic hat ihren Anteil an die tschechische Sazka-Gruppe verkauft, die nunmehr die Hälfte an den Casinos Austria halten.