Beim EU-Beitritt Österreichs zählten Sie zu den Skeptikern, heute geben Sie den glühenden Europäer. Wie konnte Sie die Union umstimmen?
Johannes Voggenhuber: Ein Europäer war ich immer. Aber angesichts der damaligen Defizite in der EU war das eher eine enttäuschte Liebe zur Idee der europäischen Einigung als eine Ablehnung. Seither hat sich viel getan, es gibt aber noch mehr zu tun. Und das würde ich eigentlich den Jüngeren überlassen, wenn die Rechtsradikalen in ganz Europa nicht zum Marsch auf Brüssel blasen würden. Der Nationalismus ist aus meiner Sicht die Seuche Europas. Angesichts dieser Gefahr kann ich mich nicht ins Private zurückziehen.

Unter anderen Umständen hätten Sie also Ruhe gegeben und Ihre Pension genossen?
(lacht) Dann hätte ich mir eine schönere Beschäftigung gesucht.

Sie treten nun für jene Liste an, die Peter Pilz aus Ärger über die Grünen gegründet hat. Sie haben vor zehn Jahren mit der Partei
gebrochen. Eint Sie der Trotz?
Viele gehen ja noch weiter und werfen mir Rache vor. Ich habe wirklich anderes im Sinn, als solch niedrige Gefühle auszuleben. Ich habe ein politisches Leben lang für Demokratie und Grundrechte gekämpft. Das so bedroht zu sehen, ist mein einziges Motiv. Und an wem soll ich mich denn rächen?

An einer Partei, die Ihnen vor Jahren den Rücken gekehrt hat?
Aber die, die das damals zu verantworten hatten, sind ja alle weg. Soll ich mich an der Verantwortungsmanagerin von Novomatic rächen?

Mit Ihnen sind fünf pro-europäische Kandidaten im Rennen. Wie kann man da herausstechen?
Ich will mich ja nicht unbedingt abgrenzen, weil ich eine Allianz zu Demokraten anstrebe. Aber schauen Sie sich die Lage der heimischen Opposition an und wie sie in den Wahlkampf geht. Bis auf den rechten Block, wie ich FPÖ und ÖVP nenne, werden alle Stimmen verlieren. Und wen wundert das? Was hat die SPÖ in den letzten Jahren für Europa getan? Was die Grünen, was die Neos? Was ich dafür getan habe, kann ich genau sagen. Und wenn die Neos auch noch eine in Europafragen völlig unbedarfte Kandidatin nominieren, kann ich auch nichts machen. Ich glaube, dass die Wähler erkennen, wem es mit der Bekämpfung des Nationalismus ernst ist. Ich bin der Einzige, der sagt: Das ist faschistoid.

Sie spitzen also auf enttäuschte Wähler aus allen Lagern?
Ja, denn wo gehen die sonst hin? Zu den Nicht-Wählern. Und deren Anteil liegt schon bei 55 Prozent. Eine Katastrophe für die Demokratie. Nicht ich nehme den Grünen also Mandate weg – die haben sie bereits verloren.

Mit welchen Inhalten wollen Sie sich diese Stimmen holen?
Indem ich Dinge wie europäische Volksabstimmungen, das Initiativrecht für das Parlament und eine Direktwahl des Rates fordere. Und weil mir – im Gegensatz zur SPÖ – das soziale Europa am Herzen liegt. Und ich mich traue, einen Finanzausgleich zwischen armen und reichen Regionen zu fordern. Der SPÖ ist das zu unpopulär.

Letzteres würde bedeuten, dass Österreich zahlen muss.
Ja, aber Österreich kann nicht nur kassieren, sondern muss auch etwas für Europa leisten. Sonst werden Binnenmarkt und Währung nicht halten.

Warum treten Sie nicht als Spitzenkandidat der Liste Jetzt an?
Weil ich eine Allianz bilden möchte. Es geht ja nicht um meinen Namen, sondern darum, eine Plattform zu bilden, um etwas verändern zu können.

Sie nehmen also nur die Anschubfinanzierung in Höhe von 250.000 Euro und gut ist’s?
Ich bin gesetzlich nominiert als Kandidat der Liste Jetzt. Wenn die Liste eine solche Plattform unter ihrem Namen antreten lässt, gehört sie natürlich auch dazu. Das wäre bei den Grünen auch so gewesen.

In der „ZiB 2“ haben Sie eine Partnerschaft zwischen EU und Russland gefordert. Sollen die Sanktionen aufgehoben werden?
Das ist ein sehr komplexes Thema. Putin ist hochproblematisch, aber wir sollten Russland nicht immer mit ihm gleichsetzen. Das Land ist geopolitisch einer der wichtigsten Staaten und wir brauchen Russland als Partner, vor allem bei der Sicherheit. Ich bin dafür, dass man einen neuen Annäherungsversuch macht und die Sanktionen dann stufenweise abschafft.