Es passte einfach alles, was man Narrativ nennt: aufgewachsen mit einer alleinerziehenden Mutter im Gemeindebau, mit Fleiß und Leistung den Sprung in die Akademikerkaste geschafft und dann – 130 Jahre nach deren Gründung – die erste Frau an der Spitze der Sozialdemokratie.

Video-Umfrage: Soll es eine Stichwahl geben?

"Ich will die erste Kanzlerin werden", schmetterte Pamela Rendi-Wagner im November 2018 den Delegierten in der Messehalle Wels entgegen, als diese sie mit 97,8 Prozent zur Vorsitzenden wählten. Christian Kern, zu eitel für die Rolle des Oppositionschefs, warf wenige Wochen zuvor hin – nicht aber, ohne die Nachfolge zu regeln. Die Gesundheitsministerin, die erst am Vorabend ihrer Angelobung zwei Jahre zuvor in die SPÖ eingetreten war, soll die Partei übernehmen. Gegen alle interne Logik, gegen alle Tradition, aber mit seinem Versprechen, dass er schweigen werde. "Die Rollen Waldorf und Statler sind in unserer Partei stabil besetzt", ätzte Kern, offenbar ein Muppets-Fan, damals leichthin. Er sollte recht behalten.

Der Ibiza-Elfmeter wurde nicht verwertet

Ein Jahr später war es so weit. Die SPÖ konnte die mit dem Ibiza-Video aufgelegten Elfmeter nicht verwerten, erreichte in der infolge ausgerufenen Nationalratswahl mit 21,18 Prozent das historisch schlechteste Ergebnis. Dann ging es erst richtig bergab. Zyklisch meldete sich Hans Peter Doskozil und belebte das Gerücht um die bevorstehende Ablöse von Rendi-Wagner immer wieder aufs Neue.

Kurzfristig sah es nach einer Trendwende aus: Als die Pandemie ihren Höhepunkt erreichte, war die SPÖ-Chefin im öffentlichen Diskurs und den Umfragen auf Augenhöhe mit der Regierungsriege um Sebastian Kurz. Die Fachexpertise, ihr empathischer Umgang, manche sahen gar einen Gegenentwurf zum männlichen Überlegenheitsgefühl der türkisen Truppe. Aber spätestens, als sie die rote Linie überschritt, um mit Herbert Kickl gemeinsam Kurz zu stürzen, ging ihr der rote Faden verloren. Sie taumelte in Inhalten, in der internen Kommunikation, in der Darstellung nach außen, ließ von Vertrauten nicht ab, auch wenn es sie selbst gerettet hätte. Und: Wahlen wurden in Serie verloren.

Würde man mit einem Mann auch so umgehen?

Warum sie sich das Amt trotz dauernder Querschüsse antut? "Verantwortungsbewusstsein" war die häufigste Antwort auf diese oft gestellte Frage. Ob man einen Mann so lange mit solcher Minderleistung gewähren hätte lassen, wird nun gefragt. Ob sich ein Mann die Querschüsse so lange hätte gefallen lassen, halten andere dagegen. Und: Hätte man sich dieses Mobbing bei einem männlichen Vorsitzenden überhaupt erlaubt? Fragen, deren Aufarbeitung der SPÖ guttäten, die aber in der aktuellen Gemengelage keine Priorität haben.

Sie wolle das Leben der Menschen gerechter und besser machen, meinte Rendi-Wagner im November 2018. Mit ihrem Rücktritt hat sie für ihr Umfeld einen Schritt dahin getan.