Die SPÖ hat bei einer Sondersitzung des Nationalrats zur Teuerung scharfe Angriffe gegen die Koalition geritten: "Ich erwarte mir von der Regierung nichts mehr außer ihren Rücktritt", meinte Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner in der Begründung ihres "Dringlichen Antrags", der etwa ein Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs verlangt. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) reagierte ungerührt: "Wenn die Regierung etwas bewiesen hat - sie ist widerstandsfähig."

Begonnen habe die Regierung mit dem Motto "das Beste aus zwei Welten", herausgekommen sei ein "Albtraum für das Land", tönte Rendi-Wagner Freitagmittag zu Beginn der Debatte. Die Koalition habe Österreich in die Hoffnungslosigkeit getrieben: "Man kann sich von ihnen nichts mehr erhoffen."

Selbst mit dem jüngsten Paket werde kein einziger Preis gesenkt, tadelte die Klubobfrau. Wenn Menschen Rechnungen nicht mehr bezahlen könnten und die Mittelschicht abzurutschen drohe, allerspätestens dann müsse der Staat in einen nicht mehr funktionierenden Markt eingreifen. Das sei Aufgabe der Politik: "Das nennt man soziale Marktwirtschaft."

"Aus Angst halten sie fest an der Koalition"

Rendi-Wagner versuchte auch einen Keil in die Regierung zu treiben, indem sie den Grünen attestierte, dass diese sich auch unwohl fühlen würden: "Aus Angst halten sie fest an der Koalition." Dass die Grünen nicht versuchten, sich gegen die ÖVP durchzusetzen, mache sie zu Komplizen der Hilflosigkeit und Gleichgültigkeit.

Ginge es nach der SPÖ, bräuchte es ein rasches Paket. So sollten die Richtwerterhöhungen zurückgenommen und alle Mieten bis 2025 eingefroren werden. Darüber hinaus wollen die Sozialdemokraten eine "schlagkräftige" Anti-Teuerungskommission. Ihr "Dringlicher Antrag" wurde freilich von Koalition und NEOS am Nachmittag abgelehnt. Das gleiche Schicksal ereilte Misstrauensanträge von SPÖ und FPÖ gegen die Regierung, wobei die Freiheitlichen mit ihrem Ansuchen, das unter anderem auch die Ukraine- und Asylpolitik der Koalition scharf kritisierte, ganz alleine blieben. Den roten Antrag unterstützte die gesamte Opposition.

Kanzler verteidigt Politik

Kanzler Nehammer wollte sich seine Politik im Gegenzug nicht schlecht reden lassen. Immerhin sei die Arbeitslosigkeit gering und es sei gelungen, die Kaufkraft zu erhalten. Zudem seien schon jetzt die Gasspeicher mit Blick auf den kommenden Winter zu 60 Prozent gefüllt.

Die Regierung diene den Österreichern weiter, um gegen die Teuerung anzukämpfen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass der Wirtschafts- und Industrie-Standort ein attraktiver bleibe. Ansetzen will der Regierungschef neuerdings bei den Energiekonzernen. Denn die Großhandelspreise seien längst zurückgegangen: "Das Problem ist, das wurde nicht weitergegeben." Daher müssten alle Energie-Unternehmen, die weiter so handelten, eine Übergewinne-Steuer bezahlen.

Leichtfried kündigt rote Blockade an

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried attestierte daraufhin dem Bundeskanzler einen "Ausflug in eine Parallelwelt" und brachte einen Misstrauensantrag gegen die Bundesregierung ein: "Wir haben endgültig das Vertrauen in diese Regierung verloren." Zudem kündigte der rote Vizeklubchef an, dass die SPÖ künftig der türkis-grünen Koalition ihre Stimmen nicht mehr zur Verfügung stellen werde - weder für einfache noch für Zweidrittelmehrheiten.

Diese Aussage rief ÖVP-Klubchef August Wöginger und Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer auf den Plan. Bei einem Ad-hoc-Pressestatement nach dem Plenum kritisierten sie unisono die Aussage als "verantwortungslos". Die SPÖ dürfe nicht aus reiner Parteitaktik wichtige Gesetzesmaterien wie das Erneuerbare-Wärme-Gesetz oder das Energieeffizienzgesetz blockieren, für die es eine Verfassungsmehrheit braucht. Denn dies gehe zulasten der Bevölkerung. Beide appellierten an die "konstruktiven Kräfte in der SPÖ" und betonten, dass man weiterhin für Gespräche zur Verfügung stehe. "Finden wir zu einem sachlichen Stil zurück", so Maurer.

Auch den NEOS widerstrebt die Ansage Leichtfrieds. "Jetzt wichtige Gesetze zu blockieren, wie es die SPÖ heute im Nationalrat angekündigt hat, ist einfach nur unverantwortlich und schadet dem Wirtschaftsstandort", erklärte die pinke Energiesprecherin Karin Doppelbauer in einer Aussendung.

Koalition als "Einheitspartei"

Wenig Wohlwollen für die Politik der Regierung war zuvor auch von FPÖ-Chef Herbert Kickl gekommen, hätte diese doch eine "Spur der Verwüstung durch dieses Land" gezogen. Geliefert habe sie "lauter faule Früchte" oder "Zwangsbeglückung" wie CO2-Steuer oder die ORF-Haushaltsabgabe. Zudem sei Österreich weiterhin "Asylmagnet". Statt Kaufkraftsteigerung sei Armut der Begriff, der auf die Zustände in diesem Land passe: "Diese hat längst die Menschen erreicht, die arbeiten und Leistung erbringen."

Aber auch die Pensionisten seien von der Regierung im Stich gelassen worden, so Kickl: "Mittlerweile ist man besser dran, wenn man in diesem Land einen Asylantrag statt eines Pensionsantrags stellt." Aber auch SPÖ und NEOS seien nicht viel besser als die Koalitionsparteien, handle es sich ohnedies bei allen vier Parteien mittlerweile um eine "Einheitspartei". Alle hätten bei der "fanatischen und falschen Coronapolitik" mit Lockdowns oder bei der Beteiligung am "Wirtschaftskrieg" gegen Russland mitgemacht.

Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer diagnostizierte Kickl daraufhin Scheinheiligkeit, Lüge und Heuchelei, was ihr einen Ordnungsruf vom Dritten Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) einbrachte. Die FPÖ habe in Regierungsverantwortung einen "riesigen Schaden im österreichischen Sozialsystem angerichtet", so Maurer. Dabei behaupte die FPÖ, dass sie sich für sozial Schwachen einsetze. Doch sei bekannt, was passiert, wenn die FPÖ in die Regierung kommt. Es folge immer dem Schema "Oppositionsbank, Regierungsbank, Anklagebank", betonte Maurer. Maurer rief die Opposition auf, sich an den Maßnahmen gegen die Teuerung konstruktiv zu beteiligen.

Neos kritisieren Gießkanne

Seit Monaten weise man daraufhin, dass das Land nicht gut durch die Krisen gekommen sei, betonte wiederum NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Die Aufholjagd nach der Corona-Pandemie habe letztes Jahr wegen des russischen Angriffskrieges ein "jähes Ende" genommen. Das sei aber nicht die Entscheidung Europas oder Österreichs gewesen. Fehler habe die Regierung aber bei den Maßnahmen gegen die Teuerung gemacht. Die "expansive Förderungspolitik" und das "Auspacken der Gießkanne" habe zur massiven Überförderung geführt und die Inflation weiter befördert, zeigte sich die NEOS-Chefin überzeugt: "Statt die Gießkanne auszupacken, hätte die Regierung die Schwächsten unterstützen sollen." Eine Zurückhaltung bei den Lohnabschlüssen im Herbst, wie einige Ökonomen fordern, brauche es aus Sicht Meinl-Reisingers nicht. Stattdessen müssten die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Der Staat müsse bei sich selber sparen und den Gürtel enger schnallen.