In Niederösterreich herrschen künftig ÖVP und FPÖ gemeinsam. Nach einer nächtlichen Einigung wurde die Zusammenarbeit am Freitagvormittag von den Landesparteivorständen von Volkspartei und Freiheitlichen den Pakt einstimmig angenommen. ÖVP und FPÖ würden 65 Prozent der Stimmen bei der niederösterreichischen Landtagswahl hinter sich versammeln, erklärte ÖVP-Chefin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bei einer Pressekonferenz heute: "Das ist Demokratie".

Zu Mittag präsentierte Mikl-Leitner die Zusammenarbeit gemeinsam mit FPÖ-Chef Udo Landbauer. In der Proporz-Regierung hätten beide Parteien und die SPÖ ohnehin ihren Platz gefunden. Durch das Arbeitsübereinkommen wird Niederösterreich in den nächsten Jahren aber vor allem eine schwarz-blaue Handschrift tragen. So wird das Land etwa nicht mehr für die Corona-Impfung werben.

Die ÖVP werde es möglich machen, dass Udo Landbauer stellvertretender Landeshauptmann wird, sagte Mikl-Leitner mit Verweis auf die Landesverfassung. Die FPÖ wird Mikl-Leitner nicht wählen, sondern eine ungültig wählen. Damit reichen die Stimmen der ÖVP-Abgeordneten, um Mikl-Leitner am 23. März erneut zur Landeshauptfrau zu wählen.

Mikl-Leitner greift SPÖ an

"Dass wir heute gemeinsam vor Ihnen stehen, wird viele überraschen und manche irritieren", gestand Mikl-Leitner bei der Pressekonferenz zu Mittag ein. Es sei aber "das Ergebnis der niederösterreichischen Wählerinnen und Wähler, das Ergebnis der Blockade einer Fraktion" - und das Ergebnis eines "harten Ringens" um einen gemeinsamen Kurs. Die "Streitereien" zwischen ÖVP und FPÖ seien tief gegangen, die Differenzen groß. Daher habe man zuerst mit der drittplatzierten SPÖ verhandelt: "Das alleine sagt eigentlich alles".

Noch bevor sie ihr Programm präsentierte, griff die Landeshauptfrau die SPÖ an: Deren "Wiener Spin-Doktoren" müssten sich den Vorwurf gefallen lassen, "nicht wie normale Erwachsene an einem Tisch sitzen und verhandeln zu können", doch: "Mit Niederösterreich spielt man nicht". Die maßlosen Forderungen der SPÖ hätten dazu geführt, dass die Volkspartei mit den Freiheitlichen zusammenarbeite, sagte die ÖVP-Chefin. Die ÖVP habe sich daher mit der FPÖ auf ein "Kontrastprogramm" zu Eisenstadt, Wien oder Berlin, wo die Sozialdemokratie federführend regiert, geeinigt, so Mikl-Leitner.

Waldhäusl verlässt Landesregierung

"Das Wohlergehen der österreichischen Bevölekerung steht über eigenen Befindlichkeiten", sagte auch FPÖ-Chef Landbauer, der im Wahlkampf eine Wahl Mikl-Leitners kategorisch ausgeschlossen hatte. Man habe sich bewusst dafür entschieden, nicht "den einfachen Weg" zu wählen und schlicht in die Proporz-Regierung zu gehen. Er sehe das Wahlergebnis als "klaren Auftrag", im Wahlkampf angesprochene Kritikpunkte aufzunehmen und zu bearbeiten.

Landbauer kündigte an, dass Niederösterreich für Corona-Strafen aufkommen wird: "Wir holen das große Werkzeug und die ordentlichen Maschinen aus, um diese Gräben auch zuzuschütten". 30 Millionen Euro schwer soll ein Fonds sein, der Maßnahmen gegen mögliche Schäden setzen soll. Der bisherige Asyl-Landesrat Gottfried Waldhäusl wird zweiter Landtagspräsident in Niederösterreich. In die Landesregierung werden für die FPÖ neben Landbauer selbst Susanne Rosenkranz und Christoph Luisser einziehen. Reinhard Teufel wird den Landtagsklub anführen.

FPÖ-Wähler wollten Mikl-Leitner abwählen

Laut Sora-Nachwahlbefragung entspricht die Koalition in der Proporz-Regierung eher nicht dem Wählerwillen beider Seiten: 92 Prozent der FPÖ-Wähler wünschten einen Wechsel an der Landesspitze, nur jeder zehnte ÖVP-Wähler wollte die Freiheitlichen in der Regierung sehen. Jede andere Landtagspartei wäre den Anhängern der Volkspartei deutlich lieber gewesen, wie selbst am Freitag noch der Pressesprecher der Volkspartei Niederösterreich, Günther Haslauer, auf Twitter bestätigte:

Immerhin ist die FPÖ in Niederösterreich besonders rabiat. Asyl-Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) sorgte immer wieder für Aufregung, zuletzt wünschte er sich etwa weniger Menschen mit Migrationshintergrund in Wien. Parteichef Landbauer kritisierte nach dem Erdbeben in Syrien und der Türkei österreichische Katastrophenhilfe.

Proteste angekündigt

Mit Verweis auf FPÖ-Mitglieder, die stolz den Hitlergruß zeigen, Nationalsozialisten huldigen oder die Menschenrechte infrage stellen, forderte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oscar Deutsch, bereits am Mittwoch den Abbruch der Verhandlungen mit der FPÖ. Mikl-Leitner erwiderte heute, sie erfahre "Verständnis aus der jüdischen Gemeinde" dafür, dass sie nun trotz Warnungen der IKG mit den Freiheitlichen paktiere.

Für Samstag hat die "Plattform für eine menschliche Asylpolitik" ab 15.00 Uhr am Wiener Karlsplatz eine Kundgebung samt Konzerten angekündigt. Am Tag der konstituierenden Landtagssitzung plant SOS Mitmensch eine Aktion auf dem Landhausplatz.

Grüne: ÖVP hat "Liebe zum Land verloren"

Für SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner stehen FPÖ-Chef Herbert Kickl, Waldhäusl, Landbauer und die gesamte FPÖ "für eine menschenverachtende Politik und Hetze". Die Freiheitlichen dürften daher "kein Partner für die Sozialdemokratie sein"."Ein Pakt zwischen ÖVP und FPÖ katapultiert das Land in die Vergangenheit", reagierte die Grüne Landessprecherin und Klubobfrau Helga Krismer. Auch die Grünen würden Landeshauptfrau Mikl-Leitner daher nicht unterstützen, kündigte Krismer an: "Wer auf die Idee kommt, mit Klimaleugnern, Wissenschaftsverweigerern, Kunstfeinden und Hetzern einen Pakt einzugehen, hat die Liebe zum Land verloren".

Blaue Tricks

Eine Koalition der beiden Parteien galt im Wahlkampf noch als ausgeschlossen. Während die ÖVP vor einer rot-blauen Koalition warnte, mobilisierte vor allem die FPÖ hatte stark gegen Landeshauptfrau Mikl-Leitner: 2017 verspottete die Partei sie als "Moslem-Mama", heuer wollte man das "ÖVP-System brechen" und attestierte Mikl-Leitner "Totalversagen". Parteichef Landbauer versprach immer wieder, die ÖVP-Chefin nicht zu wählen. "So wie ich den Wählerwillen respektiere, respektiere ich die Entscheidungen anderer Parteien", erklärte Landbauer, heute.

Über einen Trick werden die Freiheitlichen das Versprechen sogar halten: Bei der Wahl der Landeshauptfrau bei der konstituierenden Sitzung des niederösterreichischen Landtages am 23. März zählen nur gültige Stimmen.  Die 14 FPÖ-Abgeordneten werden zumindest teilweise ungültig stimmen. Somit haben die 23 ÖVP-Mandatare eine Mehrheit und können Mikl-Leitner im Alleingang zur Landeshauptfrau machen. Seine Die Stimmzettel für die geheime Wahl wurden laut "Standard" bereits so angepasst, dass ungültig Wählen vereinfacht ist.