Mehrere NGOs fordern die Regierung auf, nach deutschem Vorbild eine temporäre Visaerleichterung für Opfer des Erdbebens in der Türkei und Syrien zu ermöglichen. Für Erdbebenopfer, die Verwandte ersten und zweiten Grades in Österreich haben, sollen unbürokratisch humanitäre Visa für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten ausgestellt werden, heißt es in dem von Volkshilfe, Diakonie, Caritas, ÖRK, Amnesty und der Allianz "Menschen.Würde.Österreich" unterzeichneten Appell.

Die Organisationen schlossen sich damit am Dienstag der Forderung des Vizepräsidenten des EU-Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), und des Wiener Integrationsrats an. Auch SPÖ und die mitregierenden Grünen hatten sich am Montag für temporäre Visaerleichterungen ausgesprochen. Das Innenministerium hatte diese Forderung am Montag bereits abgelehnt. Visaanträge von Erdbebenopfern sollen von den österreichischen Vertretungen raschestmöglich geprüft werden, aber die Kriterien der Vergabe nicht geändert werden, hieß es.

Prüfung auf Basis geltender Kriterien

Man wolle Opfer des Erdbebens oder deren Angehörige durch eine raschestmögliche Prüfung ihrer Visumsanträge unterstützen, aber die Kriterien nicht ändern. Aus dem Innenministerium in Wien hieß es am Montag auf APA-Anfrage, die österreichischen Vertretungen, wo die Anträge zu stellen sind, würden die im gesetzlichen Rahmen bestehenden Möglichkeiten dafür nutzen. Die Prüfung erfolge weiterhin auf Grundlage der bisher geltenden Kriterien.

Für die Einreise nach Österreich aus Syrien oder der Türkei ist laut Innenministerium per Gesetz ein gültiges Visum vorgesehen. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums seien in einem individuellen Verfahren zu prüfen, hieß es weiter.

Bürgerinitiative

Der SPÖ-Bezirksrat in Wien-Favoriten, Muhammed Yüksek, brachte zu unterdessen eine parlamentarische Bürgerinitiative ein, welche die unverzügliche Schaffung eines vorübergehenden sechsmonatigen Humanitärvisums für vom Erdbeben betroffene Angehörige von in Österreich lebenden Personen fordert. Die Initiative müsse nun voraussichtlich verbindlich im Petitionsausschuss des Nationalrats behandelt werden, teilte der Initiator am Montag mit. Yüksek hofft auf eine breite und parteiübergreifende Unterstützung aus dem Nationalrat und der Bevölkerung, damit Angehörigen so schnell und unbürokratisch wie möglich geholfen werden könne.

Der SPÖ-Parlamentsklub befürwortete am Montag ein erleichtertes Verfahren für ein Drei-Monats-Visum für Erdbebenopfer. Menschen, die ihr Heim verloren haben oder medizinische Behandlung brauchen, sollten so für eine befristete Zeit bei engen Angehörigen in Österreich unterkommen können. "Europa muss in einer großen Hilfsaktion den Betroffenen und Opfern des furchtbaren Erdbebens in der Türkei und Syrien beistehen. Es braucht jetzt vorrangig rasche Hilfe vor Ort und in der Folge einen internationalen Plan, wie der Wiederaufbau – der Jahre dauern wird – unterstützt werden kann", heißt es in einem Statement des SPÖ-Parlamentsklubs.

Temporäre Aufnahme

Für die Volkshilfe Österreich sei es "ein Gebot der Stunde, uns dafür einzusetzen, dass Überlebende des Erdbebens temporär in Österreich aufgenommen werden", sagte deren Präsident Ewald Sacher laut Aussendung. Eine staatliche Verpflichtungserklärung zur Kostenübernahme werde auch nötig sein, denn die Verwandten in Österreich könnten sie nicht tragen. "Ein europäisches Resettlement-Programm wäre überhaupt der beste Weg, weil die humanitäre Situation in Nordsyrien, die schon vor dem Erdbeben katastrophal war, jetzt noch unsicherer geworden ist", sagte Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger.

Deutschland will Menschen in der Türkei unbürokratisch Visa erteilen, um bei Angehörigen in Deutschland unterzukommen. Am Sonntag sprach sich der Erste Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas, (ÖVP) für eine zeitlich begrenzte Aufnahme Betroffener in Österreich aus.

Österreich hat für humanitäre Hilfe nach dem Erdbeben bisher etwa drei Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds bereitgestellt. Dem Vernehmen nach wurden im Verlauf der vergangenen sieben Jahre mehr als 70.000 Staatsbürgern aus Syrien und der Türkei in Österreich Schutz gewährt.