Im Prozess gegen den früheren Grün-Politiker Christoph Chorherr und zahlreiche prominente Mitangeklagte wurden heute alle Angeklagten freigesprochen. Das Gericht habe keinen Missbrauch feststellen können, heißt es in der Urteilsbegründung. Chorherr habe sich für eine Sache eingesetzt und kundgetan, wenn er etwas für schlecht hielt.

Zwar seien Spenden an den Verein S2Arch geflossen und der frühere grüne Planungssprecher dessen Obmann gewesen. Die Gelder seien aber gemäß Statut eingesetzt worden, erklärt der Richter. Chorherr habe auch keinen bestimmenden Einfluss auf die Verwendung der Spenden gehabt. Daher sei der Vorwurf der Vorteilsannahme zurückzuweisen. Auch der Vorwurf der Befangenheit sei nicht gegeben.

Den Versuch einer Bestechung durch die anderen prominenten Angeklagten wie den Immobilienmanager René Benko konnte das Gericht nicht feststellen. Das Ziel, Gelder nach Afrika zu spenden, sei umgesetzt worden. Es gebe keinen Zusammenhang zwischen den Spenden und den Immobilienprojekten, erklärt der Richter. Die WKStA meldet Nichtigkeitsbeschwerde an, das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.

WKStA: "Wir haben uns das gut überlegt"

Chorherr war bis 2019 Planungssprecher der grünen Rathaus-Fraktion in Wien. Dem früheren Mandatar wurde vorgeworfen, von mitangeklagten namhaften Immobilienunternehmen Zahlungen für einen von ihm initiierten gemeinnützigen Verein gefordert bzw. angenommen zu haben. Dieser unterstützt Kinder- bzw. Schulprojekte in Afrika. Die Spender - darunter der Investor René Benko, der Industrielle Michael Tojner und die Immobilienentwickler Erwin Soravia und Günter Kerbler - sollten sich im Gegenzug Vorteile bei Widmungsverfahren versprochen haben, vermutete die ermittelnde Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

Rechtliche Quelle
Rechtliche Quelle © APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)

Die WKStA bezichtigte Chorherr des Amtsmissbrauchs und der Bestechlichkeit, den Unternehmern wird Bestimmung zum Amtsmissbrauch und Bestechung in unterschiedlichen Beteiligungsformen angekreidet. Der Staatsanwalt der WKStA betonte in seinem Schlussplädoyer, "auch Stimme der Opfer" zu sein, die bei Korruption schwer fassbar seien. In diesem Fall sei aber die Stadt Wien, Anrainer, und Nachbarn geschädigt worden.

Fehler in der Anklage - etwa dass Chorherr fälschlicherweise als Planungsstadtrat statt Planungssprecher im Gemeinderat bezeichnet wurde - täten ihm leid, sagte der Ankläger. Dass mit Michael Tojner aber ein Beschuldigter an ihn herangetreten sei und gefragt habe, ob sich die WKStA die Anklage gut überlegt habe, habe er noch nie erlebt, so der Staatsanwalt, der heute sagte: "Ja, das haben wir uns gut überlegt".

WKStA: "Eine Hand wäscht die andere"

Chorherr sei "eine graue Eminenz" gewesen, erklärte der Ankläger. Der grüne Ex-Mandatar habe im Gemeinderat "viel bewegt". Dabei hätte er nicht mitentscheiden sollen, nachdem mit Tojner und Co bekannte Immobilientycoons an seinen Verein gespendet hatten. Bei der Abstimmung über Widmungen aus dem Saal zu gehen, reiche nicht, befand der Staatsanwalt.

Überhaupt forderte er die Schöffen auf, "österreichisch" zu denken: "Eine Hand wäscht die andere", kooperatives Verhalten lohne sich, so der Ankläger, der sein Schlussplädoyer mit Gleichnissen und Sprichwörtern füllt. Als Politiker dann auch noch nach Geld zu fragen, dürfe man nicht, findet der Staatsanwalt.

Chorherr-Anwalt: WKStA-Anklage "unterstellend und vermutend"

Ganz anders sehen das die Anwälte der Beschuldigten: Sämtliche Angeklagte haben sich in der Hauptverhandlung nicht schuldig bekannt. Ihre Verteidiger sehen keine Beweise für Bestechlichkeit. Chorherr habe seine politische Tätigkeit und sein wohltätiges Verhalten stets strikt auseinander gehalten, sagt sein Anwalt Soyer. Im Falle des Heumarkt-Projekts habe er der damals zuständigen Planungsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) sogar abgeraten, hatte Vassilakou auch als Zeugin ausgesagt.

Dass die Staatsanwaltschaft auch Vergleiche mit dem Ibiza-Video, Sprichwörtern und einem verurteilten EU-Politiker bemühte, kann Chorherrs Verteidiger nicht nachvollziehen. Insgesamt sieht er das Plädoyer der Anklage als unterstellend und vermutend an. Sein Mandant habe als Amtsträger stets nur nach sachlichen Erwägungen und unabhängig entschieden. Amtsmissbrauch, Bestechlichkeit und Vorteilsannahme seien daher nicht gegeben.

Auch die Verteidiger der anderen Beschuldigten fordern einen Freispruch: Man solle aufhören, hinter Gutem etwas Schlechtes zu sehen, befand etwa Norbert Wess, der Erwin Soravia vertritt. Dass sich sein Mandant bei einer "privaten Geburtstagsfeier" von seinen Gästen Spenden - auch an Chorherrs Verein - statt Geschenke wünschte, sei transparent gewesen. Einen Zusammenhang mit Bauprojekten habe es nicht gegeben, so Wess, und: "Wir müssen aufhören, alles zu kriminalisieren".

An die Schöffen gerichtet sagt er: "Im Strafverfahren dürfen Sie nicht glauben", sondern für eine Verurteilung mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" davon ausgehen, dass eine Straftat begangen wurde. Nur vom Schlechtesten auszugehen, reiche nicht. "Was nicht passt, wird passend gemacht", kritisierte auch der Verteidiger von Günter Kerbler. Viele Beamte hätten als Zeugen Chorherrs Einfluss verneint. Die WKStA habe dies aber schlicht als "nicht weiter verwunderlich" abgestempelt, da Chorherr clandestin handeln hätte müssen. "Bitte denken Sie nicht österreichisch", forderte er die Schöffen auf: Es habe eine Spende und einen Akt bei der Baubehörde gegeben, mehr nicht und auch keinen Zusammenhang.

Chorherr hatte "sehr viel zu sagen"

Am heutigen Montag hatte noch der Besitzer des Einkaufszentrums Auhof-Center in Wien Penzing als Zeuge ausgesagt. Als dieses erweitert werden sollte, wurde ihm von der Stadt beschieden, er könne den Ausbau umfangreicher bewerkstelligen, wenn er Wohnungen auf dem Gebäude errichte. "Das war ganz einfach der Deal, er war fair und nachvollziehbar", versichert der Zeuge. Man habe das Projekt "wunderbar hingebracht".

Hauptansprechpartnerin sei Planungsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) gewesen. Intensiven Kontakt gab es aber auch mit dem Grünen Planungssprecher Chorherr. "Er hat in dieser Funktion sehr viel zu sagen gehabt." Vassilakou und Chorherr hätten eng zusammengearbeitet. Vom karitativen Engagement Chorherrs habe er nichts gewusst, versicherte Schaider. Er berichtete zudem auch von einer Widmung bei einem weiteren Projekt, die erst nach vielen Jahren durchgeführt wurde.

Chorherr meldete sich dazu heute zu Wort. Er verwies auf einen Online-Artikel, in dem behauptet wurde, er, Chorherr habe bei diesem zweiten Widmungsverfahren verlangt, dass der Zeuge von Chorherrs Frau eine Machbarkeitsstudie für das Projekt durchführen lasse. Das sei völlig falsch gewesen, wetterte Chorherr gegen eine "mediale Vorverteilung". Da werde ihm schwer kriminelles Verhalten unterstellt.

Schaider habe jedoch ebenfalls betont, dass dies nicht zutreffe, erläuterte Chorherr. "In diesem Artikel wurde ich für politische Zwecke missbraucht", ärgerte sich der Zeuge heute. Nach der letzten Verlesung von Aktenteilen begannen am Vormittag die Schlussplädoyers. Rein formal wird zunächst über die angeklagten Personen entschieden, wie Richter Michael Tolstiuk erläuterte. Die Verfahren gegen die mitangeklagten Verbände wurden vorerst ausgeschieden.