In nahezu heiliger Dreifaltigkeit werden die Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP), Doris Bures (SPÖ) und Norbert Hofer (FPÖ) am Mittwoch den "Parlaments-Weihnachtsbaum" entgegennehmen. Die demonstrative Einigkeit trügt allerdings, denn Alleingänge Sobotkas trüben wenige Wochen vor dem Umzug ins neu renovierte Parlament die versöhnliche Weihnachtsstimmung.

Am 12. Jänner soll das hohe Haus als überparteilicher Hort der Demokratie neu eröffnet werden. Doch im Gebäude dürfte sich Bauherr Sobotka auch selbst verwirklicht haben: 36.000 Euro pro Jahr soll allein ein Flügel im Empfangssalon des Parlaments kosten, wie aufmerksame Abgeordnete erst im Budgetausschuss erfuhren.

Goldene Klänge

Das tiefschwarze Instrument, das mit Blättern aus 23-karätigem Gold an die Wiener Secession erinnern soll, wird nicht gekauft, sondern um 3000 Euro pro Monat gemietet. Das ist fast günstig: Einer der 21 vom Hersteller Bösendorfer streng limitierten Flügel, die "Einheit in der Vielfalt, aber auch den revolutionären Gedanken der 9. Sinfonie Beethovens" vermitteln sollen, kostet mehr als 190.000 Euro. Dass die Miete des Instruments monatlich kündbar ist, begrüßen die Abgeordneten hingegen – so könne man den schwarzen Flügel nach einer Ablöse Sobotkas ebenfalls rasch entfernen.

Schon Theophil Hansen, Architekt des Parlaments am Ring, habe ein Klavier im Parlament geplant. Dies werde nun im renovierten Haus umgesetzt, heißt es aus dem Parlament. Dass "Ver Sacrum" (heiliger Frühling) in wortwörtlich hochkarätigen Lettern darauf zu lesen sein wird, war die Entscheidung des studierten Dirigenten Sobotkas.

Eine "Wahnsinnsidee" nannte dies FPÖ-Chef Herbert Kickl am Dienstag im Nationalrat – und nahm das Klavier als Anlass, einmal mehr Neuwahlen zu fordern, nach denen ein neuer Nationalratspräsident gewählt werden müsste. Die Bevölkerung erwarte sich eine Vorbildwirkung der Politik – auch beim sparsamen Wirtschaften, sagte der SPÖ-Abgeordnete Christian Drobits: "3000 Euro Miete bedeutet: Drei Menschen mit Existenzsicherung, mit Mindestsicherung mit 978 Euro, sind so viel wert, wie eine Monatsmiete für diesen Flügel. Das ist das Bild, das die ÖVP nach außen zeichnet."

Der stellvertretende Neos-Klubobmann, Nikolaus Scherak, wollte darüber diskutieren, was ein "selbstbewusstes Parlament" mit 3000 Euro im Monat tun könnte – etwa eine Stärkung des Budgetdienstes oder des Rechts- und Legislativdienstes, der nur von Nationalratspräsident Sobotka beauftragt werden könne, weil er zu wenig Personal habe. "Man kann aber auch sich um 36.000 Euro ein goldenes Klavier anschaffen", fasste Scherak zusammen.

Die ÖVP sprach von "billiger Polemik". Die Abgeordnete Bettina Rausch begrüßte, dass das Hohe Haus auch ein Ort für Kulturveranstaltungen sei. Präsident Sobotka habe den Umbau mit Umsicht und Weitsicht gestaltet. Kultursprecherin Maria Großbauer meinte gar: "Wir brauchen ein Klavier im Parlament - auf jeden Fall."

Das sieht auch die Grüne Kultursprecherin Eva Blimlinger so. Es nahm sie "einigermaßen wunder", welche Kunstfeindlichkeit die Oppositionsparteien hätten, wenn sie sich über ein Klavier aufregten, das noch dazu ein Kunstwerk sei. Am liebsten wäre Blimlinger sogar ein Parlamentsorchester.

Hohes Haus im Rahmen

Ob Orchester oder Klavier: Der Nationalratspräsident hat im beim Umbau des neuen Hohen Hauses vielerorts freie Hand: 1,8 Millionen Euro schwer ist allein das Kunst- und Kulturprogramm, über das Sobotka herrscht – und in das auch die Kosten für den Flügel fallen. Die Umsetzung obliegt Österreichs zurzeit laut APA/OGM-Vertrauensindex unbeliebtestem Politiker. Mit Verweis auf Sobotkas Willkür zeigen sich manche Abgeordnete daher erfreut, dass sich dieser mit dem Direktor des Leopold Museum, Hans-Peter Wipplinger, zumindest einen Kurator hinzugezogen hat.

Im internationalen Vergleich sei man bei Kunst und Kultur sogar sparsam, heißt es aus dem Parlament: 1-2 Prozent des Baubudgets seien üblich. Österreichs hohes Haus verwendet nur knapp 0,5 Prozent des Umbaubudgets für Werke von Heimo Zobernig, Eva Schlegel oder Constantin Luser. Immerhin werden die Gesamtkosten für den Umbau irgendwo zwischen den ursprünglich budgetierten 352 Millionen Euro und dem später um 20 Prozent erhöhten Budgetrahmen zu liegen kommen.

Romy Schneiders Wintergarten und Schrödingers U-Ausschuss

Dabei weiht der Präsident das Parlament aber nicht immer in seine Pläne ein, sagt ein Abgeordneter. "Manchmal erzählt er, was er plant, wir sagen nein und er macht es trotzdem." So dürften die bisher durchnummerierten Räume im historischen Gebäude auf Geheiß des Präsidenten künftig nach prominenten Persönlichkeiten benannt werden.

Neben Sigmund Freud und Ingeborg Bachmann findet etwa Romy Schneider in einem Wintergarten Platz. Erwin Schrödingers U-Ausschuss-Lokal dürfte hingegen einen stetigen Strom an Katzenwitzen garantieren. Selbst innerhalb der Verwaltung des Parlaments kann man sich die konkrete Namensauswahl nicht erklären, der Präsident habe für seine Entscheidung keine konkrete Begründung genannt, heißt es.

Allein zum Wein gegriffen

Umhängen musste der Präsident ein Kunstwerk. Dass der Wappenadler im Sitzungssaal des Nationalrats von zwei Spruchbändern mit "Demokratie" und "Parlament" flankiert werden sollte, überstieg die Toleranz der Abgeordneten. Alleingänge wurden dem Präsidenten von den anderen Parteien daraufhin untersagt, der Niederösterreicher wanderte aber dennoch durch die hohen Hallen – und endete ganz oben: Ohne andere Fraktionen oder das Parlament an sich zu informieren, prostete der Nationalratspräsident auf Social Media mit einem Gläschen Wein vom Balkon des neuen Parlamentslokals herab. 

Für das Parlament, das sich im neuen Kleid als überparteiliches Symbol der Demokratie präsentieren will, ist das katastrophal. Nach drei Jahren hinter Bauzäunen ist man bemüht, sich der Bevölkerung zu öffnen: Neben baulichen Maßnahmen wie Demokratiewerkstatt und Co. soll bei der feierlichen Eröffnung am 12. Jänner auch die neue Parlamentswebsite mit einer Menge an frei zugänglichen Daten online gehen.

Bis dahin fürchtet man im Hohen Haus in den Reihen der Abgeordneten, aber auch vonseiten des Personals, weitere Alleingänge des Präsidenten. "Er ist, wie er ist: Er will sich verwirklichen, das macht er auch", sagt ein resignierter Abgeordneter, aber: "Ich lasse mir vom Präsidenten meine Freude auf das neue Haus nicht nehmen."