Nachdem die Wien Energie am gestrigen Montag mit ihren Liquiditätsproblemen für Aufruhr sorgte und die Bundesregierung um finanzielle Unterstützung bat, kam es am Dienstag zu ersten Verhandlungsgesprächen zwischen Regierung und Wiener Stadtregierung - bisher ohne Ergebnis. Die Regierung will die zwei Millionen Kundinnen und Kunden der Wien Energie aber "nicht im Regen stehen lassen". Erste Unterstützungsleistungen des Bundes könnten aber am morgigen Mittwoch notwendig werden.

15.50 Uhr: Auch der Wiener Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) sei über die Schieflage der Wien Energie erstmals vergangenen Sonntag über die Medien informiert worden, heißt es aus der Wiener Landespartei zur "Kleinen Zeitung". Dass die Stadt Wien dem Energieanbieter mit zwei Krediten über je 700 Millionen Euro aushalf, erfuhren Neos ebenfalls erst nachträglich.

15.20 Uhr: Die SPÖ versuche verkrampft "es sei nichts passiert und alles wäre normal", findet die Wiener ÖVP. Dass ein erster Zuschuss bereits im Juli gewährt worden sei, sei "eine völlige Missachtung der demokratischen Gremien in Wien, solch horrende Summen einfach freizugeben." Für Mittwoch kündigt die ÖVP eine Pressekonferenz zum Thema "Neues zum größten Finanzskandal seit der Bawag-Pleite" an.

14.33 Uhr: Bürgermeister Michael Ludwig und Finanzstadtrat Peter Hanke würden "mehr Fragen als Antworten liefern", hielten die Wiener Grünen fest. Auch sie fordern daher eine Untersuchungskommission.

SPÖ und Wien Energie weisen Spekulationen zurück

13.33 Uhr: Zu Mittag meldete sich der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) erstmals zur Causa zu Wort: "Die Versorgungssicherheit war immer gewährleistet, ist gewährleistet und wird auch immer gewährleistet sein", hielt Ludwig fest. Allerdings gebe es seit längerer Zeit die große Herausforderung, dass die Energiepreise erheblich steigen. Man habe einen "Wiener Schutzschirm" aufgespannt - auch für die Wien Energie. Dabei habe man am 15. Juli sowie am gestrigen Montag Darlehen von jeweils 700 Millionen Euro geleistet.

Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) und Bürgermeister Michael Ludwig
Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) und Bürgermeister Michael Ludwig © APA/HANS KLAUS TECHT

"Wir haben keine Spekulation, keine außergewöhnlichen Vorgänge", hielt Wiener Stadtwerke-Vizechef Peter Weinelt fest. Derartige Vorwürfe würden auch von sachlicher Unkenntnis zeugen. Er begrüßt daher Ludwigs Ankündigung, dass auch der Wiener Stadtrechnungshof das Unternehmen prüfen werde.

Vergleiche mit anderen Energieanbietern verbietet er sich: "Es gibt kein zweites Wien", die Voraussetzungen seien in der Großstadt andere. Dass die Wien Energie am Markt Strom verkauft - etwa weil tageweise weniger oder mehr verbraucht wird, als unter der Woche - und einkauft - etwa weil Wasserkraft-dominierte Energieversorger im Sommer ohnehin Überschüsse haben - sei ein ganz normaler und wichtiger Vorgang.

Die Wien Energie braucht für ihre normalen Geschäftstätigkeiten überhaupt keine Unterstützung, betonte der Wiener Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke. An den Bund sei man herangetreten, weil die Strommärkte derart turbulent sind, dass am Montag eine Garantie fällig war für ein Geschäft, das am Freitag geschlossen wurde. Mittlerweile stelle sich das wieder anders dar. "Der Betrag von 798 Millionen Euro wurden wieder gut gebucht", so Hanke: "Sie sehen, welche unglaubliche Entwicklung dieser Strommarkt durchmacht". Er fordert europäische Lösungen beim EU-Sonderministerrat am 9. September.

13.14 Uhr: Dass auch andere Versorger wie der Verbund Liquiditätsprobleme hätten, wie es SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner gesagt hatte, weist der Verbund zurück und appelliert, unternehmensschädigende Aussagen zu unterlassen. Diese würden Strom- und Gaskunden, aber auch Banken, Investoren und Aktionäre noch weiter verunsichern. Damit gefährde man die gesamte Branche sowie den Wirtschaftsstandort Österreich.

Politische und rechtliche Konsequenzen gefordert

12.20 Uhr: Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger fordert via Twitter politische Konsequenzen. "Die offenbar höchst spekulativen Geschäftsvorgänge der Wien Energie sind tatsächlich untragbar. Die Krisenkommunikation der letzten Tage und die Intransparenz im Umgang mit der Causa von Seiten der SPÖ sind ebenfalls inakzeptabel", stellt die NEOS-Chefin fest. "Es muss schonungslos aufgeklärt werden und es müssen entsprechend dann politische Konsequenzen gezogen werden."

11.50 Uhr: Die FPÖ prüft eine Anzeige gegen Bürgermeister Michael Ludwig und Finanzstadtrat Peter Hanke (beide SPÖ) wegen Verdachts des Amtsmissbrauchs. Ludwig habe bereits Mitte Juli mittels Notkompetenz Mittel für die Wien Energie aus dem Stadtbudget freigemacht, erst im September darüber zu informieren - wie es offenbar angedacht sei - sei zu spät, findet der blaue Landesparteichef Dominik Nepp. Die zuständigen Gremien nicht zu informieren, sei ein "Bruch der Wiener Verfassung".Für die Freiheitlichen handelt es sich um den bisher größten Finanzskandal der Stadt. Es gehe keineswegs nur um Sicherstellung ("Margins") von zukünftigen Käufen. Vielmehr dürfte es sich um nicht gedeckte Leerverkäufe in der Höhe von 13 Mrd. Euro handeln. "Das ist das komplette Jahresbudget der Stadt", gab der Wiener FPÖ-Chef zu bedenken.

Rechnungshof prüft

11.13 Uhr: Die Vorgänge rufen auch den Rechnungshof auf den Plan. Der wird eine Prüfung bei der Wien Energie durchführen, um die Geschäftstätigkeit im Energiebereich und die Rolle des Eigentümers - also der Stadt Wien - zu überprüfen. Die finanzielle Lage, der Finanzbedarf und die Transparenz im Lichte der Versorgungssicherheit werden zentrale Fragen sein. Der Rechnungshof werde außerdem einen Blick darauf werfen, wie sich das bei anderen Energieversorgern darstellt.

10.53 Uhr: Der Koalitionspartner der SPÖ in Wien, die NEOS, üben harsche Kritik an den Vorgängen in der Wien Energie. Der pinke Landeschef, Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr, forderte am Dienstag via Aussendung "schonungslose Aufklärung". Die bekannt gewordenen Geschäftsvorgänge seien "untragbar", befand er.

Das "Schlamassel" gehöre im Detail aufgeklärt. Eine Prüfung des Bundesrechnungshofs und des Stadtrechnungshofs seien nötig. "Auf langfristige Sicht müssen sich auch die Regularien und Gesetze ändern", hielt Wiederkehr fest. Es brauche massive Kontrollrechte und Transparenzgebote.

10.50 Uhr: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) prüft aktuell noch keinen Anfangsverdacht in der Causa Wien Energie. Dies sei erst möglich, wenn ein konkreter Sachverhalt vorliege. Aktuell würden dafür schlicht die Informationen fehlen, wurde gegenüber der Kleinen Zeitung erklärt.

10.46 Uhr: ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner ortet ein fatales Management-Versagen, für das die Wiener SPÖ die alleinige Verantwortung trage. Aus ihrer Sicht muss hinterfragt werden, "wie die dafür vorgesehenen Kontrollmechanismen derartig versagen konnten und warum die Stadt Wien nicht bereits früher an die Bundesregierung mit der Bitte um Hilfe herangetreten ist". Die ÖVP-Generalsekretärin forderte auch Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) dazu auf, sich zu der Causa zu Wort zu melden.

Verhandlungen um Rettungsschirm laufen

10.30 Uhr: Ein konkretes Ergegbnis haben Verhandlungen über mögliche Unterstützungen für den in finanzielle Probleme geratenen Energieversorger Wien Energie bzw. deren Mutter Wiener Stadtwerke noch nicht gebracht. Zumindest kurzfristig gibt es Entwarnung. Dass das Finanzministerium bis heute, 12 Uhr, rund zwei Milliarden Euro freigeben muss, damit die Verträge mit rund zwei Millionen Wienerinnen und Wienern nicht gekündigt werden, hat sich als falsch erwiesen: "Heute Mittag ist kein Bedarf", sagte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) in einem Statement nach Gesprächen mit der Stadt Wien. Es könne aber sein, "dass es morgen so weit ist".

"Selbstverständlich steht für uns die Versorgungssicherheit an erster Stelle", hielt Energieministerin Leonore Gewessler fest. Nachdem Expertinnen und Experten über Nacht gearbeitet hatten sei man "auf einem guten Weg, hier eine Lösung zu finden mit der Stadt Wien", sagte Brunner. Es seien aber noch Detailfragen offen, "die es jetzt im Laufe des Tages zu klären gilt". Für die Republik führt die Verhandlungen der Leiter der Finanzprokuratur, Ex-Innenminister Wolfgang Peschorn.

Das Medieninteresse war groß bei dem Statement der beiden Minister
Das Medieninteresse war groß bei dem Statement der beiden Minister © APA/EVA MANHART

Experten würden der Regierung allerdings sagen, dass es beim Wiener Energieanbieter Spekulationen gegeben habe. "Wir werden das jetzt genau prüfen", kündigte Brunner an, denn man könne nur helfen, "wenn alles seriös abgelaufen ist". Ein Schutzschirm, wie es in Deutschland benutzt wird, hätte der Wien Energie demnach nicht geholfen, weil bei einem solchen Modell "Spekulationen ausgeschlossen sind". Der Finanzminister erinnerte auch daran, dass der Bund erst spät informiert wurde: "Diese Kurzfristigkeit können wir natürlich auf Dauer nicht akzeptieren, das ist keine Frage."

Sein Ressort sei vor 48 Stunden per Brief über die finanziellen Probleme informiert worden, nun müsse man noch prüfen, wie das passieren konnte und wie man rasch helfen könne, sagte der Finanzminister Brunner bereits im Ö1-Morgenjournal und bekannte sich zu den in Aussicht gestellten Hilfen: "Wir lassen die Wienerinnen und Wiener nicht im Regen stehen."

10.13 Uhr: Ex-FPÖ-Chef Norbert Hofer (FPÖ) erwartet angesichts der finanziellen Schieflage der Wien Energie und der Teuerung eine "Krise epischen Ausmaßes". Es sei "nicht auszuschließen, dass viele Menschen in den kommenden Monaten nicht nur frieren, sondern auch Probleme haben werden, sich mit den notwendigsten Nahrungsmitteln einzudecken". Er bekräftigte deshalb am Dienstag die FPÖ-Forderung nach einer Sondersitzung des Nationalrates. 

8.25 Uhr: "Es geht schon um sehr viel Steuergeld, das kann man nicht einfach der Stadt Wien überweisen. Dazu brauch es Sicherheiten und weitere Gespräche", sagte Brunner im Ö1-Morgenjournal. Der Finanzminister hätte es begrüßt, früher von der Stadt Wien über die aktuelle Lage informiert worden zu sein. Nun müsse man einen Kredit von zwei Milliarden Euro sehr kurzfristig gewähren.

Doch wie konnte es dazu kommen? Die Stadt Wien verwies auf den aktuell "verrückten Strommarkt". Experten würden sagen, das hätte man früher sehen müssen, so Brunner in der Früh. Im Raum stehen spekulative Geschäfte an der Energiebörse, bei denen die Wien Energie "Strom und Gas gegeneinander verkauft hat und riesige Verpflichtungen eingegangen ist, die sie jetzt nicht erfüllen können". Der Rechnungshof soll dies nach den Verhandlungen prüfen.

Dass weitere Unternehmen betroffen sein könnten, glaubte der Finanzminister in der Früh nicht. Nach seinem derzeitigen Informationsstand sei dies jedenfalls nicht der Fall. Die Branchenvertretung Österreichs Energie forderte aber bereits, ähnlich wie in Deutschland, einen Rettungsschirm für die gesamte Branche. Es würden derzeit auch entsprechende Gespräche laufen, bestätigte Brunner.