Knalleffekt bei den Bund-Länder-Gesprächen zur Quarantänefrage. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser hat nach den Verhandlungen gegenüber Oe24 bestätigt, dass am 1. August die Quarantäneregel in ganz Österreich fällt. Auch die SPÖ-geführten Länder, also Wien, Kärnten und das Burgenland, müssten mitziehen und dürfen keinen Sonderweg mehr einschlagen.

Unterstützung erhält die Bundesregierung vom steirischen Landeshauptmann Christopher Drexler, der nach der Verhandlungsrunde gegenüber der Kleinen Zeitung meint: "Ich halte die neue Regelung nicht nur für vertretbar und plausibel, sondern auch für vernünftig. Ich sehe keinen Grund, warum symptomfreie Menschen, die sich nicht krank fühlen, nicht einkaufen gehen dürfen bzw. dem Arbeitsmarkt entzogen sein müssen, allerdings mit der Auflage, dass sie eine Maske tragen müssen. Genauso wichtig ist es, dass die Lage genau beobachtet wird und man in der Lage ist, schnell zu reagieren."

Wien ortet "falschen Schritt"

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sieht das anders und trat am frühen Abend zu einem kurzen Statement vor die Medien. Wien orientiere sich an den Empfehlungen der WHO, "von daher sehe ich den Vorschlag der Bundesregierung als Schritt in die falsche Richtung", so Ludwig. Man solle sich nun in der Sommerwelle auf die Herbstwelle vorbereiten, anstatt die Absonderung abzuschaffen.

Mit der Abschaffung der Quarantäne "verlagern sich auch die Kosten" vom Bund hin zum Arbeitgeber, außerdem gebe es die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, erinnert der Wiener Bürgermeister an noch ungeklärte Fragen etwa zu infizierten Arbeitskräften. Die Bundesregierung würde eine bundeseinheitliche Lösung anstreben, habe es auf seine Nachfrage hin geheißen, so Ludwig. "Das wäre auch anders gar nicht möglich gewesen", sagt er etwa mit Verweis auf die vielen Pendlerinnen und Pendler in die und aus der Hauptstadt.

Er habe die Befürchtung, dass jetzt wieder eine "Hü-Hott-Politik" eintrete. "Da habe ich meine Bedenken, wie das in der Praxis auch funktionieren soll." In der Praxis werde es "ganz schwierig werden", im Falle einer gefährlicheren Variante Maßnahmen wieder einzuführen.

Strategiewechsel

"Ich hätte mir fachlich aufbereitete Entscheidungsgrundlagen erwartet", kritisierte auch der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ). Stattdessen habe die Regierung eine Verordnung in Aussicht gestellt, die Kärnten übermittelt werden solle. "Ein Strategiewechsel, für dessen Folgen die Bundesregierung die volle Verantwortung übernehmen muss", sagt der rote Landeshauptmann.

Die SPÖ-regierten Länder Wien, Kärnten und das Burgenland zeigten sich bereits vor dem Treffen skeptisch und kritisierten, dass sie zum wiederholten Mal von der schwarz-grünen Regierung nicht informiert wurden und aus den Medien vom geplanten Ende der Quarantäne erfahren haben. Laut Gesundheitsministerium ist die Entscheidung noch nicht gefallen. Betroffen wären über 100.000 Menschen.

Beschluss am Mittwoch?

Drexler sagte nach der Sitzung, er habe noch einmal seine Argumente für eine Änderung der Quarantäne-Regeln vorgebracht. Für ihn sei es plausibel, in der aktuellen Situation mit der Absonderung vom Arbeitsplatz anders zu verfahren. Die entsprechende Verordnung soll am Dienstag kommen, er rechnet mit einem "zügigen" Beschluss. Ab 1. August könnte das neue Regelwerk gelten.

Barbara Schöbi-Fink (ÖVP), die aktuell die Vorarlberger Landesregierung leitet, verwies nach dem Gespräch darauf, dass es "deutliche Stimmen" für ein Ende der Quarantäne gebe. Vorarlberg sei auch dafür. "Wir müssen mit dem Virus leben lernen." Sie würde ein Quarantäne-Aus nicht für verantwortungslos halten. Die Stadt Wien habe trotz strengerer Maßnahmen keine besseren Zahlen als Vorarlberg.

Zufrieden war auch der oberösterreichische ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer. Man habe "einen großen Schritt" in Richtung des von ihm seit Wochen geforderten Paradigmenwechsels gemacht. Er sei "zuversichtlich, dass auch in Österreich bald Realität ist, was in vielen europäischen Ländern im Umgang mit Corona vorgelebt wird. Wer sich krank fühlt, bleibt zu Hause, um andere zu schützen". Aber positiv Getestete "zu Hause einzusperren und vom Arbeitsmarkt auszusperren", sei mittlerweile nicht mehr notwendig, bekräftigte Stelzer seine Haltung.

Ministerium verschlossen

Wer mit dem Coronavirus infiziert ist, muss derzeit zumindest fünf Tage in Isolation. Das betrifft aktuell rund 52.000 Menschen, die in den vergangenen fünf Tagen einen positiven Test erhalten haben. Danach gilt für weitere fünf Tage eine "Verkehrsbeschränkung": Wer symptomfrei ist, darf mit FFP2-Maske wieder unter Leute gehen oder sich gänzlich "freitesten". In diese Frist fallen aktuell rund 57.000 Menschen.

Das Gesundheitsministerium will das alles weiterhin nicht bestätigen. Es sei keine Entscheidung in der Quarantänefrage gefallen. Man habe heute den Verordnungsentwurf mit den Bundesländern diskutiert, die Inhalte des Gesprächs würden nun einfließen, heißt es aus dem Ministerium nach dem Termin mit den Landeshauptleuten. Ob die Entscheidung bis Mittwoch präsentiert werde, wollte man gegenüber der Kleinen Zeitung nicht bestätigen.

Auch in einer Aussendung wurde nur mitgeteilt, einen Verordnungsentwurf ausgearbeitet zu haben. "Die Bundesregierung hat mit der Frage auch die Expert:innen von Gecko befasst", heißt es weiter. Ansonsten stellt das Ressort von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) vor allem Gespräche über die Einmeldung ins Covid-19-Register sowie Verbesserungen bei der Verteilung von Medikamenten gegen Covid-19 in den Fokus.

Dank für den Austausch

Im Vorfeld klang das noch anders: Bei dem Gipfel werde es um die "verschiedenen Möglichkeiten zur Neuregelung der Absonderung Infizierter" gehen, hieß es aus dem Gesundheitsressort. Nun wird betont: "Eine Überlastung des Gesundheitssystems ist nach aktueller Einschätzung nicht zu erwarten." Kanzler Karl Nehammer (ÖVP), der ebenfalls am Gespräch teilnahm, dankt in der Aussendung den Bundesländern "für den konstruktiven Austausch und die heutigen Beratungen". Eine Pressekonferenz gab es nach dem Gespräch nicht.

Vor einigen Tagen war ein Verordnungsentwurf bekannt geworden, wonach für Coronainfizierte künftig nur noch Verkehrsbeschränkungen gelten sollen. Demnach könnte man sich bei einer Infektion mit Maske fast überall frei bewegen. Betretungsverbote gäbe es nur an bestimmten Orten (Spitäler, Pflege- und Behinderteneinrichtungen, Kindergärten, Volksschulen und Horte), allerdings nicht für dort Beschäftigte.

Unterschiedliche Expertenmeinungen

Vonseiten der Experten gab es unterschiedliche Meinungen zum Thema Ende der Quarantäne. Der Virologe Norbert Nowotny und der Simulationsforscher Niki Popper warnten im ORF davor, vulnerable Gruppen einer zu großen Gefahr auszusetzen. Wenn Infizierte in Spitälern und Pflegeheimen arbeiten dürfen, sei das "zu gefährlich" für die Patienten und Pflegebedürftigen. "Aus wissenschaftlicher Sicht sehe ich wenige Argumente, die akut dafürsprechen, die Quarantäne nun wegfallen zu lassen", sagte auch der Virologe Andreas Bergthaler gegenüber der Kleinen Zeitung.

Komplexitätsforscher Peter Klimek spricht sich dagegen für das Ende der Isolationspflicht aus. Länder wie Spanien und Großbritannien würden diesen Weg seit Monaten gehen und dort habe es die Spitäler auch nicht zerrissen. "Ich finde, dass momentan dieser Schritt in Österreich möglich ist, ohne das Gesundheitssystem unmittelbar zu gefährden", sagte Klimek in der "Presse". Gegenüber der "Kleinen Zeitung" befürchtete er aber auch, dass Personen, die Maske tragen, stigmatisiert werden könnten, sollte dies nur noch für Infizierte verpflichtend sein.