Schon al­lein die Tat­sa­che, dass es exis­tiert, sorgt bei Trä­ger­ver­ei­nen und Pfle­ge­or­ga­ni­sa­tio­nen für Jubel: Nach Jah­ren der An­kün­di­gung wurde am Donnerstag im Na­tio­nal­rat ein Ge­set­zes­pa­ket zur Pfle­ge be­schlos­sen, das viel Lob ern­tet. So wird zum Beispiel der Angehörigenbonus auf Pensionisten erweitert. Es gibt aber auch Kri­tik an ei­ni­gen Punk­ten.

Einer davon, der in der drei­wö­chi­gen Be­gut­ach­tungs­frist am deut­lichs­ten her­vor­stach, wurde noch zwei Tage vor Be­schluss­fas­sung ge­än­dert. Ein Kern­stück ist die näm­lich die Ge­halts­stei­ge­rung für Pfle­ge­be­ru­fe, ge­re­gelt über einen Bonus, der aufs Jahr ge­rech­net etwa ein Mo­nats­ge­halt mehr be­deu­tet. Des­sen Be­zugs­kreis wurde nun doch er­wei­tert: Nicht nur Fach­kräf­te, son­dern auch Heim­hil­fen und Be­hin­der­ten­be­treue­rin­nen wer­den ihn be­kom­men.

Damit re­agier­te die Re­gie­rung auf Kri­tik von Pfle­ge­or­ga­ni­sa­tio­nen, Ge­werk­schaft, So­zi­al­ver­si­che­rungs­dach­ver­band und ei­ni­gen Bun­des­län­dern. Statt wie ge­plant 520 zahlt der Bund nun 570 Mil­lio­nen Euro dafür aus. Alle An­ge­stell­ten im Pfle­ge­be­reich pro­fi­tie­ren also fi­nan­zi­ell – al­ler­dings erst ab 1. Jän­ner, wenn das Ge­setz in Kraft tritt. Und vor­erst be­fris­tet für zwei Jahre, was etwa die Volks­hil­fe als wenig nach­hal­ti­gen An­reiz kri­ti­siert.

"Keine Reform"

"Es ist ein gutes Paket, aber keine Re­form", sagt Wal­ter Mar­schitz von der So­zi­al­wirt­schaft Ös­ter­reich: "Das Haupt­pro­blem ist der Per­so­nal­man­gel – und hier ist ei­ni­ges ge­lun­gen." So wird es künf­tig schon wäh­rend der Pfle­ge­aus­bil­dung einen Zu­schuss von 600 Euro geben. Wer um- oder wie­der ein­steigt, soll ab An­fang 2023 1400 Euro be­kom­men. Alle ab 43 be­kom­men eine Ex­tra-Ur­laubs­wo­che. Auch für be­trof­fe­ne Fa­mi­li­en gibt es Ver­bes­se­run­gen – zu­min­dest teil­wei­se: Der Zu­schlag zum Pfle­ge­geld für Er­wach­se­ne mit schwe­rer Be­hin­de­rung wird er­höht, die er­höh­te Fa­mi­li­en­bei­hil­fe für be­hin­der­te Kin­der wird nicht mehr auf das Pfle­ge­geld an­ge­rech­net.

Angehörigenbonus wird erweitert

Und wer eine nahe An­ge­hö­ri­ge zu Hause pflegt, er­hält ab nächs­ten Jahr einen Bonus von 1500 Euro pro Jahr. Auch hier wurde bis zuletzt nachgebessert: Nach Kritik wurden auch Pensionisten – also etwa Eheleute, die ihren Partner oder ihre Partnerin pflegen – in den Bezugskreis aufgenommen. Etwa 74.000 Menschen (dreimal so viele, wie ursprünglich geplant) sind nun bezugsberechtigt.

Der betreffende Teil wird deshalb noch nicht heute, Donnerstag, sondern voraussichtlich erst im September vom Nationalrat beschlossen. Am Inkrafttreten 2023 soll sich dadurch nichts ändern.

Häusliche Bedarf

Dabei ist der Be­darf an häus­li­cher Pfle­ge viel grö­ßer, als ge­mein­hin an­ge­nom­men wird. Das ergab eine ak­tu­el­le Wi­fo-Gal­lup-Ana­ly­se, der zu­fol­ge die Mehr­heit denkt, rund 50 Pro­zent der Pfle­ge­be­dürf­ti­gen wür­den in Ein­rich­tun­gen be­treut. Tat­säch­lich sind es aber nur 21 Pro­zent – 79 Pro­zent wer­den zu Hause ge­pflegt. Das führt zum größ­ten Manko des Pfle­ge­pa­ke­tes: Das große Feld der 24-Stun­den-Be­treu­ung wurde gar nicht an­ge­grif­fen. Dabei gibt es auch in die­sem Be­reich ein mas­si­ves Per­so­nal­pro­blem. Seit 2007 er­hal­ten selbst­stän­di­ge 24-Stun­den-Pfle­ge­rin­nen 550 Euro För­de­rung im Monat. Das müsse er­höht wer­den, auf min­des­tens 700 Euro, for­dert die Wirt­schafts­kam­mer. Weil viele 24-Stun­den-Pfle­ge­rin­nen aus dem Aus­land weite An­fahrts­stre­cken haben und der­zeit mas­siv von der Teue­rung be­trof­fen sind, will die Ge­werk­schaft Fahrt­kos­ten­zu­schüs­se. Die Slo­wa­kin Bi­bia­na Kud­zi­no­va, die in der Wirt­schafts­kam­mer die 24-Stun­den-Be­treue­rin­nen ver­tritt, sagt: "Wir kön­nen uns nicht mehr leis­ten, für ein Ho­no­rar zu ar­bei­ten, das sich seit 15 Jah­ren nicht ver­än­dert hat."

Auch in der Re­gie­rung plant man, die För­de­rung zu er­hö­hen. 16 Mil­lio­nen Euro sind dafür vor­ge­se­hen. Wie die aber genau ver­teilt wer­den sol­len, wird erst im Herbst ent­schie­den.