Wien weicht erneut vom Kurs der Bundesregierung ab und wird weiter auf strengere Corona-Maßnahmen setzen. Das verkündete Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Donnerstag. Man werde zwar "in den allermeisten Punkten" den Vorgaben des Bundes folgen. So soll unter anderem auch in Wien die Sperrstunde von 22 auf 24 Uhr verlegt werden. "Wir waren hier immer skeptisch, dass die Vorverlegung viel bringt", so Ludwig. Auch den Fall von 2G im Handel werde man mittragen, die FFP2-Maske reicht dann für den Einkauf aus.

Nachdem aber nun klar sei, dass die FFP2-Maske ein wirksamer Schutz gegen das Virus ist, diese aber nicht in allen Bereichen tragbar ist, werde Wien die 2G-Regeln in der Gastronomie weiter beibehalten. Bei der Konsumation sei ein Tragen nicht möglich, deshalb bleibe man hier bei der Beschränkung, nur Geimpften und Genesenen den Weg in die Gastronomie zu ermöglichen. In allen anderen Bundesländern dürfen ab 19. Februar auch Getestete wieder in Restaurants und Cafés.

"Machen das nicht aus Selbstzweck heraus"

Als Grund für den strengeren Weg nannte Ludwig neben weiterhin hohen Spitalszahlen die Gefahr von Long Covid, die in der aktuellen Öffnungsdebatte aus seiner Sicht vernachlässigt werde. Auch angesichts neuer Virusvarianten sei Vorsicht geboten. Man höre weiterhin auf Expertinnen und Experten und wolle "weiter nachvollziehbar" agieren, erklärte Ludwig.

"Wir machen das nicht aus einem Selbstzweck heraus, sondern weil wir die Menschen und ihre Gesundheit schützen wollen." Viele Großstädte beneiden Wien laut Ludwig um die breite Testinfrastruktur, "um zu wissen, was auf uns zukommt". Auch deshalb werde man weiterhin an den Gurgeltests festhalten. Von kostenpflichtigen Tests halte Ludwig wenig, er sprach sich sogar dafür aus, in anderen Bundesländern die Testkapazitäten noch weiter auszubauen.

Dass andere Bundesländer, vor allem im Westen, auf Lockerungen gedrängt haben, wollte Ludwig nicht direkt kommentieren. Er werde sich hüten, "etwas Böses über andere Bundesländer" zu sagen. In Sachen Einheitlichkeit sei aber "noch Luft nach oben".

Gastro sieht Verbesserungspotenzial, Tourismus zufrieden

"Eine Rückkehr zu 3G wäre mir lieber gewesen", sagt der Wiener Gastronomieobmann Peter Dobcak. Wichtig sei aber vor allem gewesen, dass auch in Wien die Sperrstunde auf Mitternacht verlegt wird. Nachbesserungsbedarf sieht der Gastronomievertreter vor allem beim Grünen Pass. Durch die kürzere Gültigkeitsdauer des Impfnachweises dürften viele ausländische Gäste zwar einreisen, müssen in der Gastronomie aber abgewiesen werden. Hier fordert Dobcak eine Nachjustierung.

Zufrieden mit den heutigen Ankündigungen ist Tourismus und Freizeitwirtschaft. Markus Grießler, Obmann der Sparte in der Wirtschaftskammer Wien, begrüßt in einer Pressemitteilung den "Schritt in Richtung Normalität – und zu mehr Chancengleichheit für die Wirtschaft". Die weiter bestehende 2G-Regelung in der Gastronomie sichere die Gäste und Mitarbeiter in der noch immer angespannten Situation, so Grießler. Auch er hebt die Wichtigkeit der späteren Sperrstunde hervor.

ÖVP und FPÖ kritisch

Kritik kommt von ÖVP und FPÖ. "Es ist einfach nicht nachvollziehbar, warum Bürgermeister Ludwig an der 2G-Pflicht in der Gastronomie weiter festhält", konstatierte hingegen Wiens FP-Chef Dominik Nepp. Für Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) ist das Wiener Festhalten an 2G in der Gastronomie "bedauerlich und aus Sicht zahlreicher Experten nicht nachvollziehbar". Köstinger fragt sich in einer Aussendung, wann die Hauptstadt begreift, "dass eine Pandemie nicht die Zeit für parteipolitisches Kleingeld ist".

Über die Lockerungsschritte der Bundesregierung war Wien – wie die anderen SPÖ-geführten Bundesländer Kärnten und Burgenland – nicht im Vorfeld informiert gewesen.