Es ist wahrlich kein Einzelfall, dass ein österreichischer Spitzenpolitiker sich vor Gericht verantworten muss. Rote Skandale in den 80er- und 90er-Jahren endeten für angeklagte Minister noch glimpflich. Im Zuge der schwarz-blau-orangen Parteienfinanzierungsaffären gab es allerdings bereits veritable Urteilssprüche gegen hochrangige Politiker. Das bisher härteste Urteil fällte das Straflandesgericht Wien gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/ÖVP), die verhängten acht Jahre Haft sind allerdings nicht rechtskräftig. Ein Überblick:

  • Das bisher härteste Urteil gegen einen Ex-Minister fiel im Dezember 2020 gegen KARL-HEINZ GRASSER am Straflandesgericht Wien. Der Finanzminister aus der Ära von ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel wurde zu acht Jahren Haft verurteilt. Er soll über seinen Freund Walter Meischberger und den Lobbyisten Peter Hochegger Informationen zur Privatisierung der Bundeswohnungen 2004 weitergegeben haben. Der Bestbieter Immofinanz/RLB OÖ lag damals mit einem Kaufpreis von 961 Mio. Euro um nur eine Million Euro über dem Zweitbieter. Meischberger will den Kaufpreis vom verstorbenen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider erhalten haben. Das Gericht schenkte dem keinen Glauben und verurteilte Grasser wegen Untreue, Beweismittelfälschung und Geschenkannahme durch Beamte. Das Berufungsverfahren steht noch aus, es gilt die Unschuldsvermutung.
  • Mit Grasser stand der zweite Minister aus der Ära von ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel vor Gericht. Der erste war Ex-Innenminister ERNST STRASSER, der bereits 2014 drei Jahre Haft wegen Bestechlichkeit ausgefasst hat. Strasser wurde nach seinem Ausscheiden aus der Regierung Lobbyist und EU-Abgeordneter. In dieser Funktion ging er 2010 britischen Undercover-Journalisten auf den Leim, die mit versteckter Kamera sein Angebot mitfilmten, gegen Honorar die EU-Gesetzgebung zu beeinflussen. Strasser war einer von nur zwei Innenministern, die bisher hinter Gittern gelandet sind. Auch FRANZ OLAH, ehemals starker Mann der SPÖ und ÖGB-Präsident, fasste 1969 ein Jahr "schweren Kerker" aus. Er hatte ÖGB-Gelder veruntreut und damit die Gründung der "Kronen Zeitung" sowie die FPÖ unterstützt.
  • Abgesehen davon kamen aktive und ehemalige Mitglieder der Bundesregierung bisher stets mit bedingter Haft und Geldstrafen davon. Wobei in den 80er- und 90er-Jahren SP-Politiker die Anklagebänke dominierten: Altkanzler BRUNO KREISKY erhielt 1989 eine Geldstrafe, weil er Simon Wiesenthal als Nazikollaborateur verunglimpft hatte, sein Finanzminister und Vizekanzler HANNES ANDROSCH musste wegen falscher Zeugenaussage in seinem Steuerverfahren 900.000 Schilling (umgerechnet 65.406 Euro) zahlen. Und für Kreiskys Nachfolger FRED SINOWATZ setzte es 1992 360.000 Schilling (26.162 Euro) Geldstrafe wegen falscher Zeugenaussage in einem von ihm selbst angestrengten Ehrenbeleidigungsprozess gegen den Journalisten Alfred Worm.
  • Die Lucona-Affäre brachte den früheren Außenminister LEOPOLD GRATZ vor Gericht: Er musste 1993 450.000 Schilling (32.703 Euro) zahlen – wegen Falschaussage zugunsten seines Freundes, des Sechsfachmörders Udo Proksch. Der zweite große Politskandal der Ära bescherte Ex-Innenminister KARL BLECHA neun Monate bedingter Haft: Wegen Beweismittelfälschung in der Noricum-Affäre rund um illegale Waffenexporte der Voest. Fred Sinowatz und Leopold Gratz wurden vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs freigesprochen.
  • Danach folgte eine Reihe punktueller Skandale rund um einzelne FPÖ-Politiker: So erhielt etwa JOHN GUDENUS 2006 ein Jahr bedingt wegen NS-Wiederbetätigung. Der mittlerweile verstorbene Bundesratsmandatar hatte in mehreren Interviews die Gaskammern im "Dritten Reich" geleugnet.
  • Gleich eine ganze Reihe von hochrangigen Verurteilungen hat die Aufarbeitung diverser Parteienfinanzierungsaffären aus der schwarz-blau-orangen Ära gebracht: 2014 schickte der OGH den früheren Kärntner ÖVP-Chef JOSEF MARTINZ wegen Untreue für viereinhalb Jahre ins Gefängnis. Martinz hatte einem Steuerberater gemeinsam mit dem verstorbenen Landeshauptmann Jörg Haider ein Millionenhonorar zugeschanzt, das teilweise an ÖVP und BZÖ weiterfließen sollte. Der 2008 verstorbene Haider konnte nicht mehr belangt werden. Martinz musste zwei Drittel der Strafe abbüßen (einen Teil davon mit Fußfessel) und ist seit Jänner 2017 wieder ein freier Mann.
  • Im März 2018 stand Ex-BZÖ-Chef und -Klubobmann PETER WESTENTHALER wegen Untreue wegen einer verdeckten 300.000 Euro-Spende der Lotterien im Wahljahr 2006 vor Gericht. Westenthaler landete Jahre zuvor bereits wegen falscher Zeugenaussage vor dem Kadi. Sein Leibwächter hatte nach der Nationalratswahl 2006 einen Parteimitarbeiter verprügelt. Westenthaler hatte im Prozess angegeben, die Attacke nicht mitbekommen zu haben.
  • In Kärnten wurden wegen Finanzierung einer BZÖ-Wahlbroschüre mit Steuergeldern prominente Kärntner Freiheitliche angeklagt: Ex-Landeshauptmann GERHARD DÖRFLER, die Ex-Landesräte UWE SCHEUCH und HARALD DOBERNIG sowie Haiders früherer Sprecher STEFAN PETZNER. Gegen Scheuch lief zudem ein Korruptionsverfahren ("Part of the Game"-Affäre).
  • In der Telekom-Affäre um Parteienfinanzierung in Richtung FPÖ, BZÖ und ÖVP fasste der frühere FPÖ-Parteiwerber GERNOT RUMPOLD im Jahr 2017 33 Monate teilbedingt aus. Ex-Vizekanzler Hubert Gorbach (FPÖ/BZÖ) nahm 2017 ein Diversionsangebot an und ersparte sich so einen Prozess. Die Ermittlungen gegen die ÖVP sowie mehrere ihrer Politiker, darunter Ex-Parteichef Wilhelm Molterer, wurden eingestellt.