"Cybercrime ist in den letzten zehn Jahren von einer kriminalistischen Randerscheinung zu einem Hauptproblem geworden", erklärte der Direktor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, bei der Präsentation des Cybercrime-Reports 2020. Der Bericht verzeichnet ein Plus von 26,3 Prozent bei den Anzeigen im Vergleich zum Vorjahr. Als Grund dafür nannte Ruf neben der zunehmenden Digitalisierung des täglichen Lebens auch die Corona-Pandemie. "Wir haben zu Beginn der Pandemie eine starke Zunahme bei betrügerischen Websites festgestellt."

Laut Bericht geht es dabei einerseits um betrügerische Online-Shops, die unter anderem Desinfektionsmittel oder Masken versprochen haben. Hier wurde mit 18.780 Anzeigen ein weiterer neuer Höchststand verzeichnet. Andererseits haben auch Betrugsfälle im Bereich "love scamming" zugenommen. Dabei handelt es sich quasi um eine moderne Form des Heiratsschwindels, in der Betrüger Geld erschleichen. "Die Kriminellen haben die Pandemie ganz geschickt genutzt", räumte Ruf ein. Auch Online-Angriffe werden laut Bericht zunehmend raffinierter.

Missbrauchsvideos auf Nintento-Speicherkarte

Die Zahlen im Bereich digitaler Kindesmissbrauch stiegen hingegen weniger stark. Hier habe man gezielt ermittelt und zahlreiche Täter ausforschen können, erklärte Andreas Holzer, Direktor des Bundeskriminalamtes. Er berichtete von einer Hausdurchsuchung, bei der auf Datenträgern trotz dringenden Verdachts nichts gefunden wurde. Die Ermittler stießen dann auf eine in einen Nintendo DS eingebaute Speicherkarte, die inkriminierendes Video- und Fotomaterial enthielt. 1.720 Anzeigen habe es 2020 in diesem Bereich gegeben. Die Aufklärungsquote im Bereich Cybercrime konnte trotz Anstieg bei den Anzeigen gehalten werden, so Holzer. Aktuell liegt diese bei 33,4 Prozent, die allgemeine Quote bei 54,2.

Der Rechnungshof hatte erst vor zwei Monaten scharfe Kritik an der Cybercrime-Bekämpfung durch Exekutive und Justiz geübt. Es würden wichtige Schnittstellen zwischen den einzelnen Abteilungen fehlen, wodurch unklar sei, wie viele der geklärten Taten tatsächlich zu einer Verurteilung führen.

Personalaufstockung

Zudem würde es an vielen Standorten – allen voran in den Bundesländern – an Know-how und geeigneter technischen Ausstattung für die Verfolgung von Online-Straftaten fehlen. Das Innenministerium habe außerdem Strategien und Maßnahmen für die Prävention solcher Straftaten erstellt, diese aber bisher nur unzureichend umgesetzt, heißt es im Rechnungshofbericht. Und während die Zahl der Delikte stark gestiegen ist, habe sich die Zahl der dafür abgestellten Bediensteten nur geringfügig gesteigert.

Das Bundeskriminalamt reagierte auf die damalige Kritik unter anderem mit der Ankündigung einer umfassenden Kriminaldienstreform, die laut Holzer unter seiner Leitung bereits in Umsetzung sei. Die Cybercrime-Abteilung im Bundeskriminalamt werde zu einer eigenen Abteilung angehoben, das Personal dafür werde im Laufe der nächsten Jahre verdoppelt. Auch in den Landes- und Bezirksämtern werde es spezielle Schulungen für Beamtinnen und Beamten geben, um für den Umgang mit digitaler Kriminalität gerüstet zu sein, erklärte Holzer. Denn: „Es gibt kaum mehr Delikte ohne Cyberdimension.“

Info-Kampagnen für Senioren

Doch nicht nur die Exekutive, auch Privatpersonen sollen geschult werden, erklärte Ruf. "Cybersicherheit muss für alle Menschen so normal sein wie das Versperren einer Haustür, damit kein Verbrecher ungehindert eindringen kann." Deshalb starte man gezielte Aufklärungskampagnen, ergänzte Holzer. "Unter anderem gibt es Warnungen für kleine und mittlere Unternehmen, die auf Telearbeit setzten. Aber auch Senioren werden angesprochen."