Die Jahres-Studie von MediaAffairs ist dem Thema "Frauen in Politik und Medien im Jahr 2020" gewidmet. Die wenig überraschende Erkenntnis: Die Frauen sind auch in Bezug auf die mediale Präsenz die Verliererinnen der Corona-Krise.

Frauen seien auch im Krisenjahr 2020 wenig sichtbar geworden, so die Erkenntnis von Studienautorin Maria Pernegger. In den ersten Monaten der Krise kommunizieren trotz Geschlechterparität in der Regierung zu 80 Prozent männliche Politiker. Man erinnert sich an das "virologische Quartett" - Kanzler, Vizekanzler, Gesundheits- und Innenminister. Außer ihnen betrat kaum jemand die politische Bühne.

Im Jahr 2020 brach die frauenpolitische Berichterstattung ein. Die Jahre 2017 - 2019 waren von metoo-Debatte und Kopftuchdisput geprägt.
Im Jahr 2020 brach die frauenpolitische Berichterstattung ein. Die Jahre 2017 - 2019 waren von metoo-Debatte und Kopftuchdisput geprägt. © Media Affairs

Weniger Worte

Erst später seien auch Politikerinnen mehr zu Wort gekommen. In Summe kommunizierten in der Bundespolitik in Österreich zu weniger als einem Drittel Frauen. Die logische Folge: "Obwohl gut die Hälfte der Bevölkerung weiblich ist, sind Frauen in der Bildpräsenz deutlich in der Minderheit. Der Frauenanteil stagniert hier bei 28 Prozent."

Corona habe in der medialen und politischen Debatte alle anderen Themen überlagert. In diesem monothematischen Umfeld gehört die mediale Bühne über den ganzen beobachteten Zeitraum hinweg zu 77 Prozent den Männern. "Frauen sind als Expertinnen, Medizinerinnen, Unternehmerinnen, Vertreterinnen von Organisationen, etc. mit einem Anteil von 23 Prozent in der Krise nur unterdurchschnittlich sichtbar", analysiert die Studienautorin. Es sind Männer, die sich in der Regel daran machen, die Welt zu erklären. Auch die Corona-Welt, obwohl die Ärzte tatsächlich zu 50 Prozent weiblich sind. Dennoch sank der Frauenanteil im Bereich der Medizin von 37 auf 22 Prozent ganz markant ab.

Die Krise verdrängte vor allem gesellschaftspolitische Themen in der politischen und medialen Auseinandersetzung, stellte Studien-Autorin Maria Pernegger fest. Im Vergleich zu den Vorjahren büßte besonders die Frauenpolitik an Aufmerksamkeit ein, obwohl die Pandemie Frauen oft mehrfach belastete. Vor allem die finanzielle Lage und wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen bleiben ein vernachlässigter Bereich im öffentlichen Diskurs.

Und das, obwohl der Anteil der Frauen in politischen Ämtern stieg: Am stärksten ist die Sichtbarkeit der Frauen bei den Grünen gestiegen.

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Die SPÖ wird von einer Frau angeführt. Entsprechend sichtbar war die Parteichefin – auch in den Zeiten der Pandemie, zumal sie hier auch als Expertin ihren Auftritt hatte. 85 Prozent der Bundes-SPÖ-Kommunikation lief über Pamela Rendi-Wagner. Aber dieser hohe Wert täuscht, denn viel präsenter waren phasenweise trotz allem die mächtigen Landeshauptleute der SPÖ. So demonstrierten Wiens Bürgermeister Ludwig, Burgenlands Landeshauptmann Doskozil oder der Kärntner Landeshauptmann Kaiser über eine starke öffentliche Performance ihre Macht innerhalb der Partei.

Die Sichtbarkeit von ÖVP-Politikerinnen stieg 2020 auf 26 Prozent, nicht zuletzt als Folge der paritätischen Postenbesetzung in der Regierung. Dennoch bleiben Dreiviertel der Bühne den Männern. Die Strategie der ÖVP, weiblicher aufzutreten, trägt erste Früchte, wobei einige der Ministerinnen zwar eine Position, die Sichtbarkeit generiert, innehaben, selbst aber insgesamt auf wenig Wirk- und Gestaltungsmacht innerhalb der Partei zurückgreifen können.

Die FPÖ setzt wie keine andere Partei fast ausschließlich auf Männer, 98 (!) Prozent der Parteikommunikation läuft über die Herren.

Die Neos werden 2020 zu knapp 75 Prozent von Frauen repräsentiert, allen voran von Parteichefin Meinl-Reisinger oder auch durch die aktive Parlamentarierin Stephanie Krisper im U-Ausschuss.

Interessant ist übrigens, dass auch bei den Politikerinnen beim Einkommen, genauer gesagt, beim Zuverdienst, große Unterschiede zwischen Frauen und Männern festzustellen sind.

Weniger Bilder

Zwei bemerkenswerte Feststellungen traf die Studie in bezug auf die Bildpräsenz:

  • In der Kronen Zeitung kommen mehr nackte und halbnackte Frauen vor als Frauen aus der Wirtschaft.
  • In Österreich stößt man medial mit fast zehnmal höherer Wahrscheinlichkeit auf das Bild eines Models als auf das einer internationalen Politikerin.
Die "Presse" berichtete vergleichsweise am häufigsten über frauenpolitische Themen, von den Boulevard-Medien die Krone, wobei dort Frauen auch in anderem Zusammenhang (nackt und halbnackt) stärker vorkommen.
Die "Presse" berichtete vergleichsweise am häufigsten über frauenpolitische Themen, von den Boulevard-Medien die Krone, wobei dort Frauen auch in anderem Zusammenhang (nackt und halbnackt) stärker vorkommen. © Media Affairs

Das Wort „Systemrelevanz“ wurde in der Krise zu einem geflügelten Wort. Es sind überwiegend Frauen, die in jenen Bereichen arbeiten, ohne die das gesellschaftliche Leben so nicht aufrechterhalten werden könnte. Aber nur in 2 Prozent der Berichterstattung wird die Systemrelevanz einzelner Berufsgruppen hervorgestrichen. In den Medien sind in systemrelevanten Branchen wie dem Sozial- oder dem Bildungsbereich Frauen zwar stärker sichtbar, gemessen am tatsächlichen Frauenanteil von 60 Prozent bleiben sie medial aber klar unterrepräsentiert.

Frauen stark bei Digitalisierung

Interessant: Vorwiegend stehen Männer als Krisenmanager und Experten im medialen Fokus. Dabei ist es spannend, dass Frauen als Managerinnen in der Krise offensichtlich andere Schwerpunkte kommunizieren. Während Männer besonders Prozessoptimierungen und das Ausschöpfen finanzieller Rahmen ansprechen, setzen Frauen einen fast doppelt so hohen Fokus wie Männer auf Digitalisierungsschritte. Auch die Erschließung neuer Märkte und ein stärkeres Interesse an Investitionen in die Gesundheitsförderung ist bei Frauen ausgeprägter.

Gewalt weniger im Fokus

Gewalt gegen Frauen bleibt im Jahr 2020 zwar das relevanteste frauenpolitische Thema, allerdings geht die Aufmerksamkeit der Politik auch hier zurück. "Das mag damit zusammenhängen, dass die Anzahl der Morde an Frauen in Österreich 2020 im Vergleich zu den sehr hohen Werten der Jahre 2018 und 2019 zurückgegangen ist", sagt Medienanalystin Pernegger. Allerdings: Die Anzahl von Betretungsverboten sowie die Frequentierung von Frauenhäuser und Helplines sei im Jahr 2020 stark gestiegen. Und das Thema bekam zu Beginn dieses Jahres wieder eine erhöhte Aufmerksamkeit.

Frauenpolitik ist 2020 parteiübergreifend zum Nischenthema geworden. 2020 werden frauenpolitische Inhalte fast nur mehr aus dem Frauenministerium kommuniziert, die Opposition schweigt hierzu weitgehend. Frauenministerin Susanne Raab ist im Großen und Ganzen jene Playerin, die auf politischer Ebene Themen setzt und voranbringt. Eines der wenigen Themen, die Aufmerksamkeit bekommen, ist Hass im Netz.

Unabhängigkeit und Innovation

Vergleiche mit 2018 zeigen laut Pernegger deutliche Rückgänge bei der medialen Sichtbarkeit von Managerinnen und Unternehmerinnen, insbesondere in prestigeträchtigen und finanzstarken Branchen. Zugewinne für Frauen gebe es vor allem im Sozialbereich, der Touristik und im Dienstleistungsbereich. Untersucht wurden "Krone", "Heute", "Österreich" "Kurier", "Standard", Presse", ZiB 1 und ZiB 2.

Arbeiterkammer und Industriellenvereinigung sind Kooperationspartner der Studie. AK-Präsidentin Renate Anderl kritisierte bei der Präsentation, dass Frauen in der Krise noch ein Stückchen mehr aus dem Blickfeld verschwunden seien. Gleichberechtigung beginne beim Geld, unterstrich sie. Es brauche volle Lohntransparenz, Investitionen in die Kinderbetreuung und die Verkürzung der Arbeitszeit auf eine "gesunde Vollzeit", wie sie laut Medienunterlage forderte.

Dass Gleichstellung nicht nur eine Frage der Teilhabe, sondern auch der Wettbewerbsfähigkeit sei, betonte IV-Vizepräsidentin Sabine Herlitschka. Es sei besonders wichtig, mehr Frauen für technische und naturwissenschaftliche MINT-Berufe zu begeistern. Diversität in Belegschaft und Führungspositionen sei ein höchst positiver Verstärker für Innovation.

Die Führungsetagen der heimischen Unternehmen: Gruppenbilder mit wenig Damen
Die Führungsetagen der heimischen Unternehmen: Gruppenbilder mit wenig Damen © Media Affairs

Sein oder nicht Sein

Diversität und Geschlechtergerechtigkeit werden künftig über Sein oder Nicht-Sein von Organisationen und Unternehmen entscheiden, sagt Maria Pernegger. Eine andere während der Krise durchgeführte Studie komme zum Schluss, dass von Frauen geführte Staaten besser durch die erste Phase der Corona-Krise kamen. Art und Weise des Leaderships, Risikoverhalten und nicht zuletzt ein abweichender Kommunikationsstil der Staatschefinnen machen einen positiven Unterschied.

Es sei zynisch, dass es im Jahr 2021 offensichtlich immer noch „Beweise“ wie diese braucht, die attestieren, dass Frauen das Rüstzeug und die Berechtigung mitbringen, um an Entscheidungen und Macht zu partizipieren. "Die Krise könnte die Wirtschaft schon längst wachgerüttelt haben."