SPÖ und Neos stimmen bei der heutigen Sondersitzung des Nationalrats der rechtlichen Grundlage für den Grünen Pass, nur die FPÖ stellt sich dagegen. Gleichzeitig fordern die Sozialdemokraten die Ausweitung der 500-Euro-Prämie für Ärzte und Pfleger auch auf anderen Berufsgruppen, die während Corona unter besonders schwierigen Umständen zu arbeiten hatten. Das geht von Sanitätern bis zum Supermarkt-Personal. NAbg. Verena Nussbaum plädierte für Gerechtigkeit.

"Sterbehelfer für die Rechtsstaatlichkeit"

Einen strikten Gegenkurs zum Grünen Kurs vertritt nur die FPÖ. Klubobmann Herbert Kickl war ganz in seinem Element: Es sei ein denkwürdiger Tag mit einem denkwürdigen Beschluss, der einem Tabubruch gleichkomme: "Als Freiheitliche können und wollen wir nicht dabei sein, wenn die Freiheitsrechte unserer Bürger, des Souveräns, hier und heute unter dem Vorwand des Gesundheitsschutzes zu Grabe getragen werden."

Maßnahmen für 100 Prozent der Österreicher bei vergleichsweise wenig Erkrankten - damit träten alle anderen Abgeordneten als "Sterbehelfer für die Rechtsstaatlichkeit" auf.  Mit dem Grünen Pass werde die Peitsche auch noch als Zuckerbrot verkauft, die "neue Normalität" amtlich gemacht. Alle Gesunden würden zu Bürgern zweiter Klasse ohne Rechte. "Das wäre, wie wenn Sie aus der Unschuldsvermutung eine Schuldvermutung machen würden und sich der Kanzler immer wieder aufs Neue freibeweisen müsste", formulierte Kickl in Richtung ÖVP.

Ein Mann, der in einer "Parallelwelt" lebe, replizierte Ralph Schallmeiner von den Grünen. Der Abänderungsantrag spiegle wider, in welch verantwortungsvoller Weise man allen Datenschutz- und sonstigen Bedenken Rechnung getragen.

Generalangriff auf Kickl

Einen Generalangriff auf Kickl startete die stellvertretende ÖVP-Klubobfrau Gabriela Schwarz: Für sie ist es unfassbar, dass Kickl die Wirksamkeit der Corona-Maßnahmen negiere, obwohl es nur diesen zu verdanken sei, dass man heute zur Öffnung schreiten könne. "Sie ignorieren die Hunderttausenden Toten, und wenn Sie die Zahl der Betroffenen in Österreich kleinreden, haben Sie die Angehörigen nicht dazugezählt. Sie haben nichts beigetragen zur Bekämpfung der Pandemie. Sie befeuern nur die, die das klein reden. Die Gesundheit sichern, das tun wir."

Als geradezu empörend bezeichnete es Schwarz, dass Kickl sich dazu versteige, Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein an seinen Eid als Arzt zu erinnern. Oberstes Anliegen im Rahmen des zugrundeliegenden Genfer Gelöbnisses sei die Verpflichtung dazu, die Gesundheit und das Wohlergehen der Bevölkerung sicherzustellen. "Das ist sein oberstes Anliegen, es ist unser aller oberstes Anliegen", so Schwarz. Und kritisierte den FPÖ-Chef dafür, dass ihm der Machtkampf gegen Norbert Hofer wichtiger sei, "mit dem vieles einfacher wäre", und dass er die Freiheitsrechte beschwöre, ohne sich von Extremismus zu distanzieren.

"Keine Chance bis 4. Juni"

Gerald Loacker von den Neos übte Kritik, obwohl auch die Neos der Ermöglichung des Grünen Passes letztlich zustimmen: Der neuerliche Abänderungsantrag zeige Hektik und Eile, die völlig unnotwendig seien. Der österreichische Grüne Pass werde ohnehin nicht am 4. Juni in Kraft treten können, weil er erst programmiert werden müsse. Fürs Reisen sei er noch nicht tauglich - erst der EU-Pass, der Anfang Juli wirksam werden soll - und innerhalb Österreichs brauche man ihn nicht.

Der Europäische Grüne Pass sei wichtig, für das Reisen, "aber wir brauchen keine inszenierte österreichische Lösung, die am Ende des Tages eh nicht funktioniert", so Loacker.

Zunächst werde man das elektronische Zertifikat übrigens auch nicht elektronisch bekommen, "sondern die Sozialversicherung wird Ihnen einen Brief mit dem QR-Code nach Hause schicken." Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) stellte später klar, dass dies deshalb erfolge, um sicherzustellen, dass auch digital nicht affine Personen ihren Code erhalten.

"Wir wünschen uns alle einen unbeschwerten Sommer", so Mückstein, und die hohe Zahl der Geimpften mache Mut. Aber man müsse weiter Vorsicht walten lassen: Maske tragen, Hände waschen, Abstand halten, Impfen, und "testen, testen, testen".

EU-Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) bot der Opposition Parole: "Es ist keine Inszenierung, auch kein Zugrabetragen von Grund- und Freiheitsrechten, auch keine Horuck-Aktion" sondern das unverzichtbare Instrumentarium, um "Mobilität auf sichere Art wieder zu ermöglichen".

Kritik daran, dass um 60 Millionen Euro zusätzliche Antigentests für den Tourismus angeschafft werden sollen, übte Gernard Kaniak (FPÖ): "Wahrscheinlich werden diese Tests wieder ohne Ausschreibung bei VP-Günstlingen eingekauft und an VP-Günstlinge verteilt".

"Ein schlechtes Gesetz verhindert"

Der stellvertretende Klubchef Jörg Leichtfried hob hervor, dass die Koalition beim Grünen Pass eine Nacht- und Nebel-Aktion geplant habe. Dies sei von der SPÖ verhindert worden. Nach Verhandlungen mit seiner Partei sei nun sichergestellt, dass keine Bewegungsprofile erstellt werden könnten und es auch zu keiner Datensammlung komme: "Wir haben ein schlechtes Gesetz verhindert."

Leichtfried betonte, dass sich die SPÖ einmal mehr als konstruktive Opposition erweise. Man sei ja schon Vorreiter gewesen, was Test- und Impfstrategie betreffe. Ein wenig skeptisch ist Leichtfried noch, was die Umsetzung des Grünen Passes betrifft. Denn für diese sei die Regierung verantwortlich und diese taumle ja nur noch vor sich hin. Grundsätzlich sei ja der Koalition persönliche Profilierung am wichtigsten, spielte Leichtfried auf den Pfingststreit um die Lockerungen an. Ein "Basar von Eitelkeiten" habe eine Pandemie aber noch nie bekämpft.

Grünes Licht vom Bundesrat

Die Sondersitzung findet am Nachmittag in einer Pause der Sitzung des Ibiza/Casinos-U-Ausschusses statt. Die dort behandelte Vorlage betrifft die rechtliche Grundlage für den elektronischen Nachweis einer Impfung, Testung oder Genesung. Dank der Verständigung der Koalition mit der SPÖ wird am Donnerstag dann auch der Bundesrat grünes Licht geben.

Der Grüne Pass wird entweder via QR-Code oder als PDF-Dokument umgesetzt.Zur Anwendung kommt er überall, wo ein 3G-Nachweis notwendig ist, beispielsweise in der Gastronomie und im Tourismus. Diese österreichische Version soll mit jener der EU, die im Juli kommen wird, kompatibel sein.