Sie haben erklärt, bei möglichen Neuwahlen als FPÖ-Spitzenkandidat in den Wahlkampf ziehen zu wollen – genau wie Parteichef Norbert Hofer. Droht eine Kampfabstimmung?
HERBERT KICKL: Ich habe schlicht gesagt, dass ich es mache, wenn die Partei das will. Was eine logische Konsequenz meiner Arbeit im Parlament ist, wo ich die politische Auseinandersetzung bereits führe. Wenn ich dazu Nein sagen würde, könnte ich es gleich lassen. Bei einer Wahl würde aber ohnehin der Bundesparteivorstand als Teamchef entscheiden, wie die Mannschaft aufgestellt wird.

Kapitän kann es aber nur einen geben. Bisher wünschen sich die FPÖ-Länderchefs von Tirol und Salzburg offen, dass Sie das sind. Hätten Sie den nötigen Rückhalt für eine Kandidatur?
Der Rückhalt im Nationalratsklub ist ja schon einmal offenkundig. Ich freue mich aber über jede Persönlichkeit aus unseren freiheitlichen Reihen, die glaubt, das Zeug dazu zu haben. Je mehr, desto besser.

Ihre Ankündigung hat die Obmann-Debatte in der Partei jedenfalls erneut angeheizt. Warum provozieren Sie das?
Erstens gibt es keine Obmann-Debatte…

Meinen Sie das ernst?
… und zweitens weise ich den Vorwurf der Provokation auf das Schärfste zurück. Eine Obmann-Debatte gibt es schon deshalb nicht, weil es einen Parteitag gegeben hat, auf dem Norbert Hofer zum Obmann gewählt wurde.

Warum erklären Sie dann ohne Not Ihr Interesse an Parteichefsessel und Spitzenkandidatur?
Wenn ich danach gefragt werde, gebe ich eine ehrliche Antwort. Außerdem: Die „Doppelspitze“ wurde eingerichtet, weil Hofer sich bewusst für das Amt im Nationalratspräsidium entschieden hat – im Hinblick auf eine mögliche Kandidatur bei der Bundespräsidentenwahl.

Wenn er nicht antritt, ist das Rennen um die Obmannschaft also offiziell eröffnet?
Norbert Hofer wird seine Entscheidung wohl im Herbst treffen. Und dann werden die weiteren Schritte in den Parteigremien zu diskutieren sein.



Vor zwei Jahren ließ Kurz Türkis-Blau nach Ibiza platzen mit der Begründung, er könne nicht mit jemandem zusammenarbeiten, gegen den ermittelt wird. Das halten Sie ihm heute vor, da gegen ihn selbst ermittelt wird. Und fordern seinen Rücktritt. Eine mögliche Anklage warten Sie nicht ab?
Die Verfehlungen in der Corona-Politik und das Festhalten an einem Finanzminister, der Akten erst auf Geheiß des Bundespräsidenten liefert, würden schon für einen Rücktritt genügen. Und nun kommt auch noch ein Auftritt im U-Ausschuss dazu, bei dem jetzt offensichtlich ist, dass man es hier mit einer Lüge zu tun hatte. Das ist eben das typisch heuchlerische Spiel der ÖVP, die mit zweierlei Maß misst.

Auch gegen Hofer wird derzeit ermittelt, der immerhin Dritter Nationalratspräsident ist. Müsste er bei einer Anklage gehen?
Man muss schon überlegen, inwieweit ein hohes Amt mit einer Anklage kompatibel ist. Bei jenem des Dritten Nationalratspräsidenten, der einer der höchsten Repräsentanten des Landes ist, halte ich das für nicht vereinbar.

Die ÖVP betitelt Ihre Angriffe als Rache-Aktion für Ihre Entlassung aus der Regierung. Sind Sie ein nachtragender Mensch?
Das ist einer der dümmsten Vorwürfe, mit denen die ÖVP je dahergekommen ist. Immer dann, wenn ihnen keine Erklärung mehr für das eigene Fehlverhalten einfällt, wird von einer Rache-Aktion gesprochen. Ich will schlicht aufzeigen, dass sich auch eine ÖVP an die Spielregeln von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu halten hat. Das scheint für manche in der Partei ein wahrer Kulturschock zu sein. Es geht hier um Gerechtigkeit und Recht, über dem auch der Kanzler nicht steht - auch wenn er sich das vielleicht einbildet.

Ihr inzwischen berühmter Satz „das Recht hat der Politik zu folgen“ gilt also nur, wenn Sie gerade in der Regierung sitzen?
Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Zudem habe ich damals den Prozess der Gesetzgebung gemeint, der nun einmal ein politischer ist. Man muss einem Kanzler aber Fehlverhalten vorwerfen können, ohne in Verdacht zu geraten, irgendwelche Rachegelüste zu befriedigen. Ich bin jedenfalls froh, dass ich damals das Entlassungsschreiben des Bundespräsidenten bekommen habe. Das dient als amtliche Bescheinigung, dass ich nicht in die Machenschaften der ÖVP-Truppe involviert war.

Kann man wirklich stolz darauf sein, aus einem Regierungsamt entlassen worden zu sein?
Natürlich. Denn es hat sich dabei um einen Akt des Unrechts gehandelt, der mir bestätigt hat, dass mein Weg des Widerstandes der richtige ist.

Das Schreiben bescheinigt Ihnen aber auch, für ein Regierungsamt ungeeignet zu sein.
Für mich besteht die Frage der Amtsfähigkeit darin, ob jemand in der Lage ist, seine eigenen Versprechen einzuhalten. Und dafür muss man als Minister den Weg des Widerstandes gehen. Wenn man aber ein Minister sein will, der nur Bandln durchschneidet und internationale Kaffeekränzchen abhält, dann ist das sicher gemütlicher.

Zurück zu Kurz, dem Sie Wehleidigkeit und Opferinszenierung vorwerfen. Hat die FPÖ nicht genau von einer solchen Opferinszenierung jahrelang gelebt, Stichwort Haider?
Dass ein Kanzler in einem U-Ausschuss, der sich ohnehin zu einer Leichenfeier für die ÖVP entwickelt hat, ohne Not falsche Angaben macht und dann auch noch mit der Tränen-Geschichte daherkommt, dass seine Mutter so unter der Situation leidet, habe ich bei Jörg Haider nie erlebt. Und ich kenne auch keinen Freiheitlichen, der so wehleidig ist. Das gehört einfach zum Geschäft.

Außer Ihr langjähriger Parteichef Strache, den Sie selbst mit Kurz in Sachen Opferinszenierung verglichen haben.
Beide haben schlicht ein Bild des Geschehenen, das nicht der Wirklichkeit entspricht. Hier handelt es sich wohl um einen Verdrängungsmechanismus.

Morgen öffnet das Land, die Corona-Thematik rückt in den Hintergrund. Geht Ihnen damit ein essenzielles Thema verloren?
Es wurde auch beim angeblichen Wegfallen der Asylproblematik spekuliert, dass die FPÖ ohne Ausländerthema tot sei. So ein Blödsinn. Zudem werden uns die Folgen der Corona-Politik noch lange beschäftigen.

Wird es Sie gleich wieder in die Gastronomie ziehen?
Ich werde mich sicher nicht der ganzen Testprozedur unterziehen, nur, um ein Schnitzerl essen zu gehen. Das hol ich mir zum Mitnehmen. Hin und wieder muss ich mich testen lassen, um zum Friseur zu gehen. Vielleicht nutze ich die 48 Stunden für einen Gastro-Besuch.