Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) setzt im Konflikt um Abschiebungen von Minderjährigen eine Kommission ein, die sich mit dem Stellenwert von Kinderrechten und Kindeswohl bei Entscheidungen zum Asyl- und Bleiberecht befassen soll. Die Leitung der Kindeswohlkommission wird die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofes und Ex-NEOS-Abgeordnete Irmgard Griss übernehmen.

Ein erster Bericht soll Mitte des Jahres vorliegen und veröffentlicht werden. Die Kommission ist im Justizministerium angesiedelt. Das Ressort wird derzeit von Kogler in Vertretung von Ministerin Alma Zadic, die in Babykarenz ist, geleitet.

"Bei Entscheidungen müssen wir immer zuerst an die Rechte und an das Wohl von Kindern denken. Sie müssen im Mittelpunkt stehen, es geht um ihren besonderen Schutz und um ihre Zukunft. Vergangene Woche sind gut integrierte Kinder in ein Land abgeschoben worden, das sie nicht kennen. Das hat uns schmerzhaft vor Augen geführt, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt. Das Kindeswohl muss stärker in der Praxis verankert werden. Genau da wird Irmgard Griss ansetzen. Sie wird unabhängig gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichsten Disziplinen analysieren, wie Kindeswohl in diese weitreichenden Entscheidungen einfließt und die politisch Verantwortlichen und die zuständigen Behörden mit Empfehlungen unterstützen", so Kogler.

Diskussion versachlichen

Aus Sicht von Griss geht es nun darum, die zuletzt sehr emotionale Diskussion zu versachlichen. Auch verschiedene Einzelfälle werde sich die Kommission natürlich anschauen, um herauszufinden welchen Stellenwert die Kinderrechte in der Rechtspraxis haben - und der Fall der abgeschobenen 12-jährigen Tina sei da sicherlich relevant. Aber es sei nicht Aufgabe der Kommission neu zu entscheiden, "das ist nicht die dritte Instanz", betonte Griss in der "ZiB2".

Griss: „Feige Ausrede“

Griss hatte sich kürzlich in der Kleinen Zeitung gegen die Darstellung von Innenminister Karl Nehammer gestellt, die Abschiebung der Familien sei unausweichlich gewesen: „Es ist daher eine billige und feige Ausrede, wenn behauptet wird, der Rechtsstaat zwinge zu unmenschlichem Handeln“, schrieb sie. "Es geht darum, Lösungen zu finden - denn die Menschen verstehen zu Recht nicht, warum Kinder, die in Österreich aufgewachsen sind, abgeschoben werden“, so Griss bei Präsentation der neuen Kommission. 

Fehler der Eltern nicht Kindern zurechnen

Im Ö1 Morgenjournal vom Freitag legte Griss noch einmal nach: Sie teile die Rechtsauffassung von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) nicht, wonach die Familie der 12-jährigen Tina jedenfalls abgeschoben werden musste. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hätte über den Antrag der Kinder auf humanitäres Bleiberecht entscheiden können, so Griss, und dieses gewähren können. Im konkreten Fall hätten die Eltern zwar offenkundig das Asylverfahren durch wiederholte Anträge hinausgezögert. "Hier geht es aber um die Kinder und die Frage ist, ob das Fehlverhalten der Eltern immer den Kindern voll zuzurechnen ist", so Griss.