Bis gestern Abend verhandelte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit den Landeshauptleuten. Sie mit im Boot zu haben, wenn die Regierung das Nein zur Öffnung verkündet, war ihm besonders wichtig. Auch Sozialpartnerund Oppositionfordern einen klaren Plan.

Heute um 11 Uhr ist es so weit: Kurz tritt vor die Presse, um zu verkünden, dass alles so bleibt, wie es ist, nur schlimmer.


Die Regierung ließ sich von Experten beraten, bevor sie die Entscheidungen traf. Auch da waren die Landeshauptleute voll eingebunden. Labormediziner Oswald Wagner, Virologe Andreas Bergthaler, Public Health-Experte Herwig Ostermann und Statistiker Erich Neuwirth gaben folgende Antworten auf diese Fragen.

1 Warum ist kein Ende des Lockdowns möglich, obwohl die Zahl der Neuinfektionen sinkt?

Weil die Sieben-Tage-Inzidenz immer noch zwischen 130 und 150 pendelt. Das ist die Anzahl der positiven PCR-Tests pro 100.000 Einwohnern. Die WHO empfiehlt eine Lockerung erst ab dem Wert 50.

2 Der Reproduktionsfaktor liegt derzeit bei 1. Ist die Lage nicht stabil?

Derzeit ja: Ein Infizierter steckt im Schnitt nur eine weitere Person an. Aber: Das mutierte „Britenvirus“ ist um 50 Prozent ansteckender als die bisherigen Varianten. Die Zahl der Infizierten würde sich ohne Maßnahmen pro Woche jeweils verdoppeln, also exponentiell erhöhen. Wenn es gelingt, die Reproduktionszahl auf 0,9 zu senken, dann erfolgt die Verdopplung innerhalb von 17 Tagen, das Zeitfenster bis zur Impfung, innerhalb dessen die Entwicklung noch kontrollierbar ist, verlängert sich auf zwei bis drei Monate. Bei einer Senkung auf 0,8 dauert es 35 Tage bis zur Verdoppelung, dann hätte man Luft für mehrere Monate.

3 Es wird bereits geimpft. Hat das keine Auswirkung?

Ja, aber nicht gleich. In Israel zum Beispiel sind bereits große Teile der Bevölkerung geimpft, aber die Zahl der Neuinfektionen und Todesfälle steigt noch immer.

4 Waren wir nicht strenger als Nachbarländer und haben wir uns nicht eine Öffnung verdient?

Jetzt geht es darum, synchron vorzugehen: In Südtirol, Deutschland, in der Schweiz, Tschechien und der Slowakei werden dieselben Maßnahmen gesetzt, um den „Pingpong-Effekt“ zu vermeiden.

5 Der Bewegungsradius wird in Deutschland auf 15 Kilometer beschränkt, bei uns auch?

Nicht sinnvoll, ebenso wenig wie die Schließung der Grenzen, sagen die Experten. Durch das Geschlossenhalten der Schulen und die Pflicht zum Homeoffice sowie das Beherbergungsverbot und die Grenzübertrittsbedingungen gibt es keine Anreize. Intensiv diskutiert wurde bis zuletzt über den Skibetrieb. Vermutlich werden die Lifte wieder schließen – spätestens nach den Rennen in Kitzbühel und Schladming, wegen des zeitweisen Getümmels und weil die wenigen Skifahrer insgesamt dennoch kein Geschäft sind.

6 FFP2-Maskenpflicht und größerer Abstand – warum nicht gleich?

Die Bevölkerung trägt die derzeitigen Maßnahmen nicht mehr ausreichend mit. Daher die Verlängerung des Lockdowns, daher die FFP2-Maske, die auch vor anderen schützt, daher – wegen der größeren Gefahr – der Abstand.

7 Warum werden nicht einmal die Schulen geöffnet?

Weil das Ansteckungsrisiko dort gleich hoch ist, weil die Bewegungen und Begegnungen insgesamt reduziert werden sollen und weil andere Bereiche das nicht verstehen würden. Jetzt brauche es klare Regeln, die nicht Verwirrung stiften, und ein gutes Konzept für das schrittweise Öffnen, sagen die Experten.

8 Wie lange wird also der Lockdown noch dauern?

Bis die Sieben-Tage-Inzidenz bei 50 liegt, wünschen sich die Experten, aber sie wissen, dass das nicht realistisch ist. „Zumindest zwei bis drei Wochen“, um die Zeit bis zur Impfung der besonders gefährdeten Personen zu überbrücken.

9 Wann kommt dann der nächste Lockdown?

Wenn die Fallzahlen einmal ganz unten sind, braucht man keinen weiteren Lockdown bis zur flächendeckenden Impfung, sagen die Experten.