In den letzten Wochen wurde vermehrt Kritik an ÖVP-Politikerinnen laut. Die Journalistin Anneliese Rohrer meinte in der ZiB2, alle türkisen Ministerinnen gehören ausgetauscht. Können Sie die Kritik an Ihren Parteikolleginnen nachvollziehen?
BETTINA RAUSCH: Die gesamte Regierung, Männer, wie Frauen, war in den letzten Monaten enorm gefordert. Kurz nach der Angelobung ist die Corona-Pandemie ausgebrochen. Es ringt mir viel Respekt ab, dass diese junge Regierung so schnell in der Lage war, entschlossen gemeinsam Entscheidungen zu treffen. Niemand konnte mit diesen Herausforderungen rechnen, aber sie wurden gut gemeistert. Das ist allen gut gelungen, den Männern und den Frauen.


Die Arbeit der Ministerinnen kommt aber offenbar schlechter an. Im aktuellen Vertrauensindex bilden die türkisen Frauen in der Regierungsmannschaft das Schlusslicht.
Man darf Rankings keinen zu großen Stellenwert einräumen. Sie sind eine Momentaufnahme. Mir ist wichtig, dass die Arbeit gut gemacht wird. Und ich denke, auch den meisten Menschen ist es wichtiger, ob sie ihren Arbeitsplatz behalten können, als der Platz, den die zuständige Ministerin in einem Ranking belegt. Christine Aschbacher hat das größte Kurzarbeitsprogramm der Geschichte aufgestellt. Susanne Raab hat trotz Corona das Frauenbudget erhöht und zu den Konflikten in Favoriten klar Stellung bezogen. Es ist das Vorrecht der Bürger, zu bewerten, was einem gefällt.

Für Kritik sorgen weniger die Inhalte als die Kommunikation darüber. Sie wird von vielen als nicht authentisch wahrgenommen. Bemängelt werden Stehsätze, auswendig gelernte Antworten auf Interviewfragen, ein rhetorischer Gleichklang. Lernt man das in der Politischen Akademie?
Natürlich nicht. Die klassischen Rhetorikseminare gibt es nicht mehr, man versucht, jeden und jede auf ihrem Weg zu begleiten.

Woran liegt es dann, dass die türkisen Ministerinnen in Interviews so ähnlich klingen?
An der Sondersituation. Wir kennen diese Regierung nur im Krisenmodus. In der Krise ist es wichtig, klare Botschaften zu kommunizieren. Das ist nicht der richtige Moment, um einen differenzierten Diskurs zu eröffnen. Ich kann mir schon vorstellen, dass es für Journalisten frustrierend ist, wenn sie drei Mal die gleichen Antworten bekommen. Aber es gab so viel zu kommunizieren, dass man am Punkt bleiben musste.

Das haben die Männer in der Regierung auch gemacht, und weniger Schelte dafür kassiert.
Politikerinnen sind immer noch Pionierinnen, die zeigen, was es heißt, als Frau in der Politik zu sein. Das gilt auch für die Beurteilung ihrer Arbeit. Vieles wird zu stark an männlichen Maßstäben gemessen, am männlichen Habitus. Wenn Meinungsforscher abfragen, wie Politikerinnen ankommen, frage ich mich: Welche Qualitäten werden beurteilt? Woran messe ich sie? Wir müssen unseren Kompass als Gesellschaft anders einstellen.

Gelten für Frauen andere Maßstäbe als für Männer?
Sie müssen das Gleiche in den Job mitbringen wie Männer. Darüber hinaus gibt es möglicherweise noch mehr Aspekte, wie Empathie oder die Fähigkeit, mehrere Bälle in der Luft zu halten. In Zusammenwirkung aller ist diese Regierung, die erstmals einen leichten weiblichen Überhang hat, ein gutes Team. In einer Situation wie dieser, wo alle Bereiche zusammenwirken müssen, sollte man daher nicht einzelne Regierungsmitglieder bewerten, sondern die gesamte Mannschaft.

Alle Ministerinnen, die jetzt kritisiert werden, waren vor ihrem Regierungsamt profiliert in ihrem Fach. In der Regierung scheint das noch nicht zu gelingen. Was bringt die Frauenquote der ÖVP, wenn Frauen zwar in politische Spitzenpositionen kommen, sich dort aber kein eigenes Profil zulegen können?
Mit Sebastian Kurz ist die Gleichberechtigung in der Volkspartei selbstverständlich geworden. Alle, die jetzt kritisiert werden, spielen in der Volkspartei eine große Rolle. Sie sitzen mit am Entscheidungstisch, bringen sich ein und werden gehört. Vor zehn Jahren haben diese Stimmen gefehlt. Vielleicht sind es nicht immer die Ministerinnen, die eine Entscheidung kommunizieren. Aber sie entscheiden mit, und das ist das Wichtigste.

Wird ihnen auch Eigenständigkeit zugestanden, ein Profil mit Ecken und Kanten?
Ja, natürlich. Denken Sie nur an Elisabeth Köstinger, die in dieser Krise sehr erfolgreich kämpft für die Branchen, für die sie verantwortlich ist. Und Susanne Raab bringt das automatische Pensionssplitting auf die Agenda. Damit wird eine echte strukturelle Benachteiligung beseitigt.