Vor kurzem hieß es noch, zu Ostern beginne die kritische Phase. Nichts dergleichen. Am Dienstag treten erste Lockerungen in Kraft. Sind wir über den Berg?
WERNER KOGLER: Nein, wir sind noch lange nicht über den Berg. Der Berg ist höher als geglaubt. Wir liegen bei einer Durchseuchungsquote von unter einem Prozent. Wenn wir zu schnell lockern, geht alles wieder von vorne los. Deshalb bin ich dafür, dass wir in Zwei- oder Dreiwochenschritten weitere Maßnahmen setzen.

Besteht nicht die Gefahr, dass man mit den Lockerungen falsche Erwartungen weckt?
Wir sind sehr weit weg von der Normalität. Wer weiß, wann diese überhaupt kommt? Wir orientieren uns an der Belegung der Spitalsbetten und der Intensivstationen. Wir wollen keine falschen Hoffnungen wecken. Nur weil jetzt kleinere Geschäfte öffnen, heißt es nicht, dass die Firmenchefs anderer Branchen ihre Mitarbeiter wieder aus dem Homeoffice zurückholen sollen. Wenn am Dienstag die Öffis gestürmt werden, müssten wir wieder von vorn beginnen.

Auch Sie haben vor italienischen Verhältnissen gewarnt. War das nicht eine maßlose Übertreibung?
Man muss kein Mathematikgenie sein, um zu erkennen, was passiert wäre, hätten wir nichts gemacht. Wir wollten mit allen Mitteln verhindern, dass die Kapazitäten der Intensivmedizin überschritten werden. Das ist ein großes ethisches Prinzip: Es soll niemand sterben, weil die intensivmedizinische Versorgung nicht ausreicht. Es war keine Übertreibung, sondern eine Begründung, warum wir so drastisch agiert haben. Und wir waren erfolgreich.

Wie lang dauert die Rückkehr zur Normalität?
Es kann lange dauern, bis wir Medikamente haben, die die Sterblichkeit deutlich verringern oder es einen Impfstoff gibt. Nur dann verändert sich die Lage schlagartig.

Wie darf man sich den Sommer vorstellen?
Das Sommerfeeling ist auch mit Veranstaltungen verbunden, wo die Menschen dicht zusammenstehen. Das wird nicht gehen. Festivals, Großkonzerte sind schwer vorstellbar. Es wird verantwortungsvollerweise ein anderer Sommer.

Werden die Bäder öffnen?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Anfang Mai die Bäder öffnen, nicht nur ob des Abstands auf der Liegewiese, sondern auch aufgrund vieler anderer offener Fragen.

Werden ausländische Touristen im Sommer zu uns kommen?
Wünschenswert wäre mehr Reisefreiheit, aber das geht nur mit Ländern, wo sich die Lage ähnlich positiv entwickelt. Derzeit ist fast jede Ein- und Ausreise mit zweiwöchiger Quarantäne verbunden. Ich kann mir schwer vorstellen, dass ein Tourist zwei Wochen in Quarantäne geht, bevor der richtige Urlaub beginnt.

Sie sind für den Sport zuständig und Sturm-Fan. Werden wir Sie heuer noch bei einem Sturm-Match sehen?
Wir arbeiten in internationaler Abstimmung mit den Fußballverbänden daran, dass Spiele der obersten Ligen ohne Zuschauer möglich werden. Und auch das ist schwieriger, als man sich vorstellt. Meine Prognose ist: Wir werden Geisterspiele von Sturm-Graz erleben, ehe wir wieder einmal ins Stadion gehen.

Es gibt Überlegungen, die Formel-1-Saison in Spielberg mit zwei Geisterrennen starten zu lassen. Ist das vorstellbar?
Abgesehen davon, dass ich nicht zuständig bin, ist es für mich vorstellbar. Die Veranstalter müssen wissen, dass sie sich an alle Gesundheitsvorschriften und die Einreise- und Ausreisebestimmungen halten müssen.

Hamilton, Vettel & Co. müssten zuvor in der Steiermark in Quarantäne?
Wenn der Formel-1-Tross dazu bereit ist, wäre es eine Möglichkeit. In den nationalen Fußballligen ist es leichter, weil die Spieler die jeweiligen Länder nicht verlassen dürfen. Wir müssen darauf achten, dass wir bestimmten Sparten keine Privilegien einräumen.

Haben Sie den Eindruck, dass die Polizei zu hart gegen Corona-Sünder vorgeht?
Das ist nicht mein genereller Eindruck. Grosso modo dürfte es passen. Im Übrigen hat vieles von dem, was wir sagen, Empfehlungscharakter, weil wir nicht jeden Zentimeter des Lebens regeln wollen. Und deshalb bedanken wir uns bei einem großen Teil der Bevölkerung. Was würde es helfen, alles zu verordnen, und die Leute hielten sich nicht daran?

Es gibt einen Zwist in der Regierung, weil sie sich für eine Erbschaftssteuer aussprechen?
Moment: Es ging um einen fairen Beitrag von Milliardären und Millionären, auf keinen Fall um die alte Erbschaftssteuer. In der richtigen Reihenfolge sind wir jetzt damit befasst, Arbeitsplätze zu sichern und Unternehmen vor Pleiten zu schützen. Allfällige Krisenfinanzierung sehe ich sehr entspannt. In Wahrheit finanzieren wir uns über Anleiheverkäufe mit null Prozent Zinsen. Erfreulicherweise wird sich Österreich noch lange viel günstiger finanzieren als andere Länder. Wichtig ist auch, dass die Steuerbelastung insgesamt nicht nach oben geht, sondern das Steuersystem umstrukturiert wird. Der nächste Schritt wird die Entlastung der untersten Einkommen sein.

Wie verbringen Sie Ostern?
Ich werde zum ersten Mal seit Langem wieder Laufschuhe anziehen und auf den Abstand schauen, denn beim Joggen sollte es weit mehr als ein Meter sein.