Das Büro am Ballhausplatz ist verwaist. Sebastian Kurz und seine Mitarbeiter haben in der ÖVP-Bundesparteizentrale in der Lichtenfelsgasse die Zelte aufgeschlagen. Das Kanzleramt bleibt wohl bis zum Wochenende ohne Hausherr. Interimskanzler Hartwig Löger, der gestern von Bundespräsident Alexander Van der Bellen angelobt wurde, führt von seinem Büro im Finanzministerium aus die Amtsgeschäfte als Regierungschef, eine Übersiedlung ist nicht geplant. „Für wenige Tage zu übersiedeln, macht keinen Sinn. Wir ersparen dem Steuerzahler viel Geld“, so ein Insider.

Peter Launsky-Tieffenthal wurde von Löger als Regierungssprecher übernommen. Von den bisher 16 Regierungsämtern wurden vier eingespart: Juliane Bogner-Strauss hat die Agenden von Ex-Beamtenminister Heinz-Christian Strache übernommen, die Staatssekretariate im Innen- und Finanzministerium (Karoline Edtstadler, Hubert Fuchs) sind Geschichte, Löger ist Kanzler und Finanzminister in Personalunion. Aus nur 12 Mitgliedern bestand eine Regierung schon lange nicht.

Bis die eigentliche Übergangsregierung steht, dürften noch einige Tage verstreichen. Wahrscheinlichstes Szenario ist eine Angelobung am Freitag oder am Montag. Van der Bellen muss nicht nur einen Kanzler, sondern ein gesamtes Team finden. Von der jetzigen Mannschaft wird wohl niemand übernommen, der Nationalrat hat der gesamten Regierung, auch den vier Neulingen Valerie Hackl, Eckart Ratz, Johann Luif, Walter Pöltner das Vertrauen entzogen.

Wie sich die Interimsregierung, die womöglich ein halbes Jahr im Amt sein wird, zusammensetzt, darüber kann nur spekuliert werden. Nur so viel ist klar: Van der Bellen ist auf der Suche nach Experten, die nicht nur die Materie kennen, sondern bereits eine Leitungsfunktion in der Verwaltung innehatten. Das spricht eher für Sektionschefs als für ausgewiesene Fachleute mit klingendem Namen. Der künftige Kanzler sollte angesichts der heißen Eisen, die auf EU-Ebene anstehen (Brexit, Personalpaket) auch über EU-Erfahrung verfügen. Das spräche eher für eine Person mit dem Zuschnitt eines Franz Fischler oder Johannes Hahn als für den ehemaligen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs Gerhart Holzinger oder Ex-Rechnungshofchef Franz Fiedler.

Van der Bellen könnte Geschichte schreiben, indem er auf eine Frau zurückgreift. Österreich zählt zu den wenigen EU-Ländern, die – übrigens seit Maria Theresia – keine Frau an der Staats- oder Regierungsspitze aufweisen. Genannt werden Brigitte Bierlein, Chefin des Verfassungsgerichtshofs, Margit Kraker, Präsidentin des Rechnungshofs, über EU-Erfahrungen verfügen Ursula Plassnik oder Benita Ferrero-Waldner.

Entscheidender ist allerdings, dass die Übergangsregierung den Segen des Parlaments hat, um nicht bei nächstbester Gelegenheit in die Wüste geschickt zu werden. Van der Bellen traf gestern neuerlich die Klubobleute zu Einzelgesprächen in der Hofburg.