Nach der Kritik an der geplanten Lohnkürzung für Asylwerber, die gemeinnützige Arbeit annehmen, hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch angekündigt, dass die Bundesregierung die Anliegen der Bundesländer im Rahmen der Begutachtung "prüfen" und dann eine Entscheidung treffen werde.

Die Aufregung um die 1,50 Euro pro Stunde versteht Kurz nicht: Im Pressefoyer nach dem Ministerrat verwies er vielmehr darauf, dass ein entsprechendes Gesetz unter Rot-Schwarz 2017 beschlossen wurde. "Das ist einmal eine positive Kern'sche Hinterlassenschaft", befand auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), der ebenfalls daran erinnerte, dass die Regelung damals für die SPÖ "gut und richtig" gewesen sei.

Obergrenze von 110 Euro

Hintergrund laut Kanzleramt: Damals wurde ein Gesetz verabschiedet, wonach der Innenminister per Verordnung die Details zu gemeinnützigen Tätigkeiten von Asylwerbern festlegen kann. Zwischen Bund und Ländern ist koordiniert, dass die Asylwerber dafür monatlich maximal 110 Euro bekommen dürfen. Während es für Hilfstätigkeiten im Auftrag des Bundes schon einen Stundensatz von 1,60 Euro gibt, fehlt eine einheitliche Stundensatzregelung bisher für die Länder. Hier werden derzeit bis zu fünf Euro bezahlt.

Ziel müsse es jedenfalls sein, dass mehr Asylwerber den Weg der gemeinnützigen Tätigkeit gehen, im Idealfall fast jeder. Es gebe aber "ein gewisses Chaos" in diesem Bereich, weil man derzeit nicht einmal wisse, wie viele Personen sich dabei engagieren. In jenen Ländern, wo vier bis fünf Euro pro Stunde als Anreiz bezahlt würden, könne man aufgrund des Gesamtmaximums von 110 Euro dann nur eine Stunde pro Tag einen Beitrag leisten - das reiche nicht für einen geregelten Tagesablauf, findet Kurz.

Vergleich mit Zivildienern

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hatte das Wochenende dazu genützt, um seine jüngste Idee zu lancieren. Hilfsarbeiten, die Asylwerber sofort ab Antragstellung in begrenztem Ausmaß verrichten dürfen, sollen pro Stunde in ganz Österreich mit höchstens 1,50 Euro bezahlt werden. Auf den Betrag kam Kickls Ministerium, indem man die Einkünfte von Zivildienern durch die wöchentliche Höchststundenzahl (53) dividierte.

Die erste Reaktion kam von den Integrationslandesrätinnen von SPÖ, Neos und Grünen. Sie forderten noch am Tag des Bekanntwerdens der Idee eine Anhebung der Bezahlung anstelle der Senkung. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), befragt, ob er von dem Vorhaben wusste, stellte sich hinter den Minister: „Der Innenminister geht hier abgestimmt mit uns vor. Ähnliches habe ich schon 2016 gefordert, mit der SPÖ war dies aber nicht zu machen“, fügte Kurz noch hinzu.

Am Dienstag regte sich erster Widerstand in seiner Partei. Vorarlbergs Landeshauptmann, Markus Wallner (ÖVP), kündigte an, bei der in seinem Land üblichen Bezahlung bleiben zu wollen. In Vorarlberg werden vier Euro pro Stunde für solche Hilfstätigkeiten bezahlt. Gegen diese Bezahlung sei freiwillige Tätigkeit möglich, „mit 1,50 Euro wohl nicht“, sagte er. Wer das System ändern wolle, müsse „erst beweisen, dass es anders besser läuft“. Zu vergleichen sei die Tätigkeit auch nicht mit der von Zivil- oder Grundwehrdienern, wie es der Minister tat, sondern mit guten Saisonniers, und die bekämen acht Euro, argumentiert Wallner.

Nach Wallner kritisiert auch Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) die geplante Lohnkürzung für Asylwerber, die gemeinnützige Arbeit annehmen. Stelzer hält die in Oberösterreich üblichen fünf Euro für angemessen, wie er am Mittwoch in "Kronen Zeitung" und "Oberösterreichischen Nachrichten" sagt. Die von der Bundesregierung geplante Kürzung auf 1,5 Euro pro Stunde werde man wohl oder übel umsetzen müssen, sagt Stelzer, aber: "Dass das nicht förderlich ist, sich für gemeinnützige Tätigkeiten zu engagieren, ist aber auch klar."

Wie die Steiermark reagiert

In der Steiermark werden Asylwerber für freiwillige gemeinnützige Arbeit noch besser entlohnt als in Vorarlberg. So stellt etwa die Caritas dem Land Steiermark Remuneranten bereit, „die fünf Euro pro Stunde bekommen“, sagt der steirische Caritas-Direktor Herbert Beiglböck. In der Stadt Graz arbeiten Asylwerber im Bereich Straßenreinigung. Auch bei diesem Projekt, das Jugend am Werk abwickelt, gibt es einen Stundenlohn von fünf Euro.

Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) kann Kickls Vorstoß, den Stundenlohn auf 1,50 Euro zu reduzieren, nichts abgewinnen: „Die Möglichkeit zu arbeiten ist der beste Weg zur Integration“, sagt sie. „Aber 1,50 Euro in der Stunde sind deutlich zu wenig, wenn jemand freiwillig eine Beschäftigung aufnimmt. Das leistet nur dem Lohndumping Vorschub.“

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) will aber – anders als sein Vorarlberger Amts- und Parteikollege Wallner – die Debatte um den Stundenlohn „nicht kommentieren“, ehe nicht schriftlich etwas Konkretes zum Vorstoß des Innenministers vorliege. Auch Tirols ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter zog sich vorerst auf diese abwartende Position zurück.

Wie Kärnten zur Idee sagt

Aus dem Büro des Kärntner Landeshauptmannes Peter Kaiser (SPÖ) heißt es hingegen bereits: Die Stellungnahme des Landes Kärnten zum Verordnungsentwurf des Innenministers „wird jedenfalls negativ sein“.

Kaisers Sprecher, Andreas Schäfermeier, sagt auf Anfrage der Kleinen Zeitung: „Wir halten von dieser Sündenbock-Politik gar nichts. Es geht niemandem besser, wenn es anderen schlechter geht. Das Thema spiegelt die derzeitige Bundesregierung wider.“ Der richtige Zugang in der Thematik wäre, Zivildiener besser zu bezahlen, heißt es aus Kaisers Büro.

In Kärnten hält man sich an den Beschluss der Flüchtlingsreferenten-Konferenz vom Herbst 2016, wonach fünf Euro der Richtwert für den Stundenlohn für Asylwerber sind. Kaiser erneuert jetzt seinen Vorschlag, Asylwerber via freiwilliges soziales Jahr zu beschäftigen. Landesrätin Sara Schaar (SPÖ), zuständig für Integration, warnt „vor der Gefahr des Lohndumpings. Die Forderung geht in Richtung fünf Euro.“ Der Kärntner Caritas-Direktor Josef Marketz betont: „1,50 Euro Stundenlohn, das richtet sich gegen die menschliche Würde. Damit kann man sich heute nicht einmal mehr eine Wurstsemmel kaufen.“